Aufrechter Gang, Hand, Stimme

Veröffentlicht auf

Das ist sozialer Futurismus, Zukunftsmusik. In der Vergangenheit war die Entwicklung der Menschheit im wesentlichen fremdbestimmt, einschließlich der Bestimmung über ihre eigene Gesellschaftlichkeit trotz fortschreitender Naturbeherrschung. Die Evolution hin zum Menschen vollzog sich ihrerseits in einem Bedingungsdreieck: 1. zufällige Mutationen (samt sexuell vermittelter Rekombination der Gene), 2. im Prinzip mit Naturnotwendigkeit sich durchsetzende Selektion der am besten an die (jeweilige und damit veränderliche) Umwelt Angepaßten im Maßstab von Populationen (Adaption), 3. die vom Standpunkt der Evolution aus zufälligen Veränderungen der Umwelt. Diese waren samt Klimawandel und punktuellen Katastrophen sowohl Schranke als auch Chance und beeinflußten wiederum die Mutationsrate. Und sie sind das heute noch.

Dabei überlagert und überformt die gesellschaftlich-kulturelle Entwicklung von Anfang an und historisch in zunehmendem Ausmaß die biologische Evolution. Diese geht jedoch mindestens bis zur Entstehung des anatomisch modernen Menschentyps weiter. Sie macht sich auch danach noch geltend, etwa in der Verengung der Kieferbögen samt dem sich damit verschärfenden Problem der Weisheitszähne, oder in der (inzwischen wohl gestoppten) Akzeleration, der mit jeder Generation fortschreitenden Körpergröße jedenfalls in den reichen Nationen dank durchschnittlich verbesserter Ernährung. Die Dialektik von Zufall und Notwendigkeit ergab evolutionäre Verzweigungen und Sackgassen, keine gerade und notwendige Fortschrittslinie vom Menschenaffen und Affenmenschen zum modernen Menschen oder eben hin zur Entfaltung der Kunst.

Wann genau welche Komponente von Kunst und welche Kunstart zum ersten Mal auftraten, ist erstens oft schwer zu datieren, und kann sich zweitens mit einem neuen wichtigen archäologischen Fund verändern, gelegentlich sogar entscheidend. Sachlich und von der relativen Chronologie her aber ist die Grenze ziemlich genau festzulegen. Die Wesen, die sich in ihrer Menschwerdung aus dem Tierreich herausarbeiten, müssen zumindest folgendes haben bzw. können, und damit drei in sich komplexe Entwicklungsstufen erreicht haben:

1. Sie haben durch aufrechten Gang freie Hände. Diese nutzen sie für Gebrauch und Herstellung von Werkzeugen, von Arbeitsinstrumenten in der fortwährenden Aneignung von Natur durch die Arbeit. Und sie nutzen sie kommunikativ für die werdende Gestensprache, im Zusammenhang mit Pantomime und Tanz als »Körperkunst« und die dann daraus sich entwickelnden Bildenden Künste sowie für den Gebrauch von Musikinstrumenten.

2. Sie verfügen über anatomische und physiologische, psychische und soziale Voraussetzungen für die Produktion absichtlich artikulierter Laute, also die menschliche Stimme, für die werdende Wortsprache wie fürs Singen.

3. Sie tun das alles zusammen mit komplexen Denkoperationen, innerhalb sozialer Gruppen, und bedenken es mit individueller wie kollektiver Selbstbewußtheit.

aus http://www.jungewelt.de/2009/12-24/046.php

Wichtig hier bereits die enge Verknüpfung von "Menschwerdung" mit Kunst - ich werde Gedanken daraus in den Überlegungen zum Kommunismus als Künstler-Gesellschaft wieder aufgreifen. (Wobei ich darüber schon früher nachgedacht habe.

Veröffentlicht in Vernünftige Welt + Zweifel

Um über die neuesten Artikel informiert zu werden, abonnieren:
Kommentiere diesen Post