Kori ado Ko - der utopische Roman (5)

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Dabei fiele ihr ja die Rolle der Schönen zu. Eine Rolle, die ihr in ihrem Erdenleben eigentlich niemand so recht gegönnt hat. Ausgesprochen unscheinbar sieht sie aus. „Zierlich, nicht zu schmal und nicht zu dick, halblanges mittelblondes Haar, manchmal lächeln dich graublaue Augen an, “ – das etwa waren die Worte, mit denen sie sich vor ihrer Aufnahme in das Raumforschungszentrum in einer erfolglos gebliebenen Kontaktanzeige beschrieben hatte.

Aber wer ist das Biest und wo steckt es? Der Weg fordert sie regelrecht zum Losgehen auf. Was bleibt ihr anderes übrig? Zwar sind Hunger und Durst noch nicht quälend stark, aber ein Schluck zu trinken und ein anständiges Frühstück wären schon jetzt nicht schlecht. Früher oder später wird sie essen und trinken müssen und Proviant hat sie keinen. Der Weg führt vielleicht zur Siedlung ihrer Gastgeber. Außerdem – wohin soll sie sonst gehen?

Ela stapft los. Unsicher mustert sie ihre Umgebung. Vielleicht wird sie von dem wohlmeinenden Biest belauert? Oder ist es jetzt nicht da? Muss sie sich allein gegen die feindliche Tierwelt wehren? Ela schüttelt den Gedanken ab. Sie sollte lieber genauer auf den Weg achten. Auf diesen schlangenförmigen nackten Ast zum Beispiel. Irgendwie hängt der verdächtig einsam auf den Weg herunter. Ela bleibt stehen.

Am Wegrand findest du verschieden große Wanderstöcke.

Kaum ist der Gedanke in ihr, da beugt sie sich herunter, und wirklich: Ein zweigloser Ast wartet regelrecht darauf, von ihr gefunden zu werden. Als sie ihn aufstellt, überragt er sie um ein Stück. Ela erinnert sich an ein Gemälde: Ein Schäfer auf einer Bergwiese hielt dort einen ähnlichen Riesenstock. Jetzt ist sie eben eine Schäferin in dieser fernen Welt. Mit ihrem Stab tippt Ela spielerisch den Ast an, der ihr so merkwürdig vorgekommen war. Plötzlich vollführt der blitzschnelle Wellenbewegungen, schlägt eine Acht, zieht sich zusammen, zermalmt den Knüppel und verschwindet im Blätterwerk.

Stille. Ela rührt sich nicht. Auch um sie herum rührt sich nichts. Kein Geräusch. Nichts. Als wäre nichts gewesen. Langsam löst sich Elas Erstarrung. Misstrauisch duckt sie sich, geht – gespannt jede Bewegung des Blätterdachs über sich beobachtend – unter der Stelle hindurch, wo soeben der angebliche Ast gehangen hat. Die Blätter, die von nahem eher an Farnzungen erinnern, geben den Blick auf den unheimlichen Gegner nicht frei. Ela erwischt sich schon wieder dabei, dem Unbekannten Namen zu geben, die vielleicht nur auf der Erde zutreffend sind. Aber was soll sie tun? Es ist alles so schnell gegangen. Das Etwas kann eine Schlange gewesen sein oder zu einem der Waldgewächse gehört haben. Oder es ist der Rüssel oder der Greifarm eines riesigen Tieres gewesen. Eines riesigen Tieres, das sie noch immer belauert, ohne dass sie es sieht… Wenn sie nur nicht so wehrlos wäre!

Bei planmäßigen Erkundungen trugen alle Mitglieder der Außenteams natürlich Strahler bei sich. Die letzte Erinnerung aber ist jene Katastrophe während der normalen Bordroutine. Warum hätten sie da Waffen bei sich tragen sollen?

Es ist nicht mehr weit. Keine Angst.

Schon wieder so ein fremder Gedanke. Er ist eigentlich sehr beruhigend … vom Inhalt her. Aber trotzdem verwirrt und beunruhigt er Ela. Sie ist sich jetzt sicher, dass diese Sätze irgendwie von außen in ihr Gehirn geschickt werden.

Ela beugt sich schnell wieder suchend zum Wegrand. Wo der eine Knüppel gelegen hat, fänden sich auch andere.

                      Listinus Toplisten Listinus Toplisten Listinus Toplisten

Veröffentlicht in Kori ado Ko

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S
grins: Wenn es nach mir ginge, könntest du natürlich das Buch als Buch verschlingen.<br /> So ist die Idee mit dem Laptop doch eine wunderbare Sache...
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G
mein erstes Lob? Ich habe dich schon öfter gelobt... ;-)<br /> Nee, schon klar, was du meinst.<br /> Doch, die Häppchen wirken schon appetitanregend, wenngleich ich gestehen muss, dass ich ich Bücher lieber im Stück verschlinge. Was mache ich, wenn ich mal in den Urlaub fahre? Laptop kaufen um auf dem Laufenden zu bleiben???
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S
Darauf bin ich natürlich noch gar nicht gekommen: Man stützt sich natürlich auf einen Stab/Stock, aber bei der hier angegebenen Länge ... hält man sich wohl nur dran fest. Das mit "schmal und dick" muss per Umstellung gelöst werden.<br /> Ela ist zu eigen, um fremde Anzeigen zu kopieren. Sie gibt (noch) lieber auf. Ihre Persönlichkeit soll sich erst in dieser Bewährungsaufgabe entfalten.<br /> Geschrieben?<br /> Ich überarbeite die xte Fassung zum xten Mal, dieses Mal per Häppchen, was ein ganz neues Gefühl ist. Ich habe kein Feeling, ob solche "Häppchen" den Appetit erhalten.<br /> Dein erstes Lob, Gunda, scheint ein Ja zu sein... Klar ist es Ziel eines solchen Textes, erst einmal den Leser zu fesseln (mal sehen, was an den nicht so unmittelbar kribbelnden Stellen passiert). <br /> Das bloße Anklicken dieser Top50-Buttons wirbt für mich...
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G
Jetzt habe ich schon wieder die Zeit vergessen, weil ich mich ganz von deinem Fortsetzungsroman habe gefangen nehmen lassen. Schreibst du eigentlich täglich daran, oder ist er in Wirklichkeit schon fertig und du servierst ihn nur häppchenweise?<br /> <br /> Heute zwei kleine Anmerkungen dazu, die mich beim flüssigen Lesen ins Stolpern gebracht haben:<br /> <br /> Das Bild mit dem Schäfer ist mir bekannt, nur kann man sich (rein technisch) schlecht AUF einen Stock stützen, der einen überragt....<br /> <br /> <br /> Der zweite Punkt ist die Kontaktanzeige.<br /> "Nicht schmal und nicht dick" liest sich zunächst so, als bezöge es sich auf die Augen.<br /> Dicke Augen? Erst beim zweiten Lesen erschloss sich mir, dass damit wohl die Figur gemeint ist. Vllt solltest du da nochmal über die Formulierung nachdenken? Kannst dir ja mal Anregung in echten Kontaktanzeigen suchen ^^.<br /> <br /> LG<br /> gunda
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