Kori ado Ko - der utopische Roman (6)

Veröffentlicht auf

Es ist schon verwunderlich. Wie bei den Gräsern und einigem anderen, was sie an Pflanzenwuchs beobachtet hat, ist auch der neue Stecken in ihrer Hand extrem gerade gewachsen. Durch den Schlangenbaum gewarnt unterdrückt Ela das Bedürfnis, die Härte der Waffe an einem der Stämme auszuprobieren. Immerhin – gegen den nächsten Angreifer kann sie sich wehren.

Beim Aufheben des Stocks sieht sich Ela den Waldboden genauer an. Schließlich hat sie Zeit. Sorgfältig vergleicht sie das Gesehene mit allem, was sie kennt und was sie sich vorstellen kann. Sie hofft, dass sie sich irrt. Macht ein paar Schritte vorwärts. Wenn sie sich Mühe gibt, vergisst sie vielleicht wieder, was sie gerade entdeckt hat … Nein. Das Gedächtnis lässt sich nicht betrügen. Alles in Ela sucht nach einer möglichst wenig unheimlichen Erklärung. Der Weg ist nicht nur festgestampft oder glatt geschliffen. Das auch. Und dass die Stämme erst vor kurzem abgeschnitten worden sind, hat sie erwartet. Aber die Stümpfe haben Brandspuren, als hätte jemand mit einem punktförmigen Feuer gearbeitet, denn am Wegrand ist das Unterholz viele Jahre unberührt geblieben. Leben hier Wesen, die Laserstrahlen kennen? Wenn ja, dann hätten sie sich verdammt viel Mühe gemacht, ihr Tun zu verbergen. Sie haben etwas wahrscheinlich Pflanzliches über die verkohlten Stümpfe geschleift; so sieht es aus, als sei alles lange her. Ela graust es. Wenn sie sich ausmalt, dass sie geschlafen hat, während jemand die abgetrennten Baumstämme aus dem Wald geschafft hat! Ihretwegen! Vor allem: Welchen Lärm hat sie da verschlafen!

Ela geht weiter. Bisher ist der Weg eine tief beschattete Gasse. Nach oben lässt er nur einen knappen Schlitz zum Himmel frei. Doch nun erkennt Ela das Ende des Waldweges. Immer näher kommt der Punkt, an dem sich das Licht der fremden Sonne ungehemmt ausbreitet. Ela zweifelt nicht daran, dass sich dort auch das Geheimnis der vergangenen Stunden aufklärt. Unwillkürlich geht sie langsamer. Nicht allein, weil die Waldluft frisch und kühl ist. Inzwischen filtert ihre Nase auch den Geruch von Holzkohle aus dem Waldduft heraus. Oder bildet sie sich das ein, weil es nach einer „Brandrodung“ einfach so riechen muss? Sie klammert sich an ihren Knüppel. Für einen Moment lächelt sie wieder.

Sie ist sich sicher, dass sie gleich vernunftbegabten Wesen gegenüberstehen wird. Sie stellt sich vor, in ihrem jetzigen Aufzug aus dem Wald bei Benns City zu kommen. Wie da ihre früheren Nachbarn reagiert hätten! Sie legt den Knüppel auf dem Boden ab, versucht mit den Händen die wirren Haare etwas zu ordnen, putzt Dreckreste von ihrer Kleidung, zuckt mit den Achseln, weil ihre Mühen kaum Verbesserungen bringen, und greift dann wieder zu dem Knüppel. „So, ihr Monster, dann wolln wir mal!“ 

     Listinus Toplisten Listinus Toplisten Listinus Toplisten

Veröffentlicht in Kori ado Ko

Um über die neuesten Artikel informiert zu werden, abonnieren:
Kommentiere diesen Post
S
Gut, machen wir "entfernt" draus. "Gefällt suggeriert für mich etwas, was nachher da liegt. Genau das aber sieht Ela ja nicht.
Antworten
G
Bin deinen Figuren gerne weiter gefolgt.<br /> Stilistisch stolpere ich über die "abgeschnittenen" Bäume. Falls das Wort nicht irgendeine verborgene Bedeutung hat, die mir verborgen geblieben ist, würde ich eher zu "gefällt" oder - falls du dieses Wort bewusst vermeiden wolltest - "entfernt" tendieren.
Antworten