Etwas China - Die harmonische Gesellschaft

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Was versteht die KP Chinas unter einer »harmonischen Gesellschaft« und welche Bedeutung mißt sie ihr bei? Generalsekretär Hu Jintao nannte sie »eine Gesellschaft, in der eine demokratische und auf Gesetzen beruhende Regierung, Fairneß und Gerechtigkeit, Aufrichtigkeit und Freundschaft, umfassende Vitalität, Sicherheit und Ordnung, Mensch und Natur miteinander harmonisch verbunden sind«. In einer anderen Veröffentlichung wurde die »harmonische Gesellschaft« im Zusammenhang »mit den tiefgreifenden Veränderungen in der inter­na­tionalen Lage und dem Eintritt unseres Landes in eine neue Etappe der Reform und Entwicklung« gesehen. Es komme darauf an, »entschlossen im breitest möglichen und vollständigsten Maße alle aktiven Faktoren zu mobilisieren und ständig die Fähigkeit zu erhöhen, die harmonische sozialistische Gesellschaft aufzubauen. (…) Das ist für die Integration der gesellschaftlichen Kräfte, die allseitige Abstimmung der Interessenbeziehungen, die Minderung der gesellschaftlichen Widersprüche, für den Erhalt der gesellschaftlichen Stabilität, die Festigung der Regierungsposition der Partei sowie die Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft von außerordentlicher theoretischer und praktischer Bedeutung.« Im Dokument der 6. ZK-Tagung selbst wird die »harmonische Gesellschaft« als ein wesentliches Attribut des Sozialismus chinesischer Prägung bezeichnet, und die Harmonie wird als »eine wichtige Garantie für Reichtum und Stärke des Landes, für das Aufblühen der Nation und für das Glück des Volkes« betrachtet. Aus diesen und anderen chinesischen Veröffentlichungen zu dieser Problematik läßt sich folgendes verallgemeinern:

1. Die KP Chinas versteht unter der »harmonischen sozialistischen Gesellschaft«, wie sie in China gegenwärtig angestrebt wird, im Kern eine langfristig stabile Gesellschaft, in der sich alle sozialen Kräfte auf der Grundlage eines gesetzlich verankerten Interessenausgleichs in einem nationalen Übereinklang befinden, »ein jeder seinen Platz hat« und seine ganze Kraft für die »nationale Renaissance der chinesischen Nation« einsetzt.

2. Der Begriff »harmonisch« schließt das Vorhandensein von Widersprüchen ein. Er besagt, daß diese Widersprüche rechtzeitig und effektiv gelöst werden müssen, damit sie die gesellschaftliche Balance nicht untergraben. Hingegen findet sich der Gedanke, Widersprüche produktiv zu nutzen, in den Veröffentlichungen nicht.

3. Der Begriff »harmonisch« wird auch auf die internationalen Beziehungen angewandt. Die KP Chinas strebt langfristig eine »harmonische Welt« an. Auch hier geht es wieder um eine Interessensbalance. Das schließt sowohl die Anerkennung der antagonistischen Widersprüche im internationalen Kräfteverhältnis wie die Auffassung ein, die bestehende ökonomische und politische Weltordnung des Kapitalismus auf einem friedlichen Weg im Ergebnis von Veränderungen des Kräfteverhältnisses demokratisieren zu können.

Der Beschluß ist ein programmatisches, wenn auch kein allseitiges Dokument für den Aufbau der harmonischen sozialistischen Gesellschaft bis 2020. Er befaßt sich ausführlich mit den dabei zu lösenden politischen, ideologischen, soziologischen, kulturellen und ökologischen Aufgaben. Im Grunde bleibt dagegen ausgeklammert, auf welcher ökonomischen Basis sich diese Gesellschaft entwickeln soll. (…)

 

  • Helmut Peters war fünf Jahre als Diplomat der DDR in China und leitete 20 Jahre die Forschungsgruppe VR China an der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED. Von ihm ist im Neue Impulse Verlag erschienen: VR China – Vom Mittelalter zum Sozialismus, 580 S., 19,80 Euro
  • Am 20.6., 14 Uhr, stellt der Autor auf dem UZ-Pressefest in der Eislaufhalle sein Buch vor
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