Überlegungen zum Antisemitismus / Judenfeindlichkeit in Deutschland (Entwurf von Robert Steigerwald) Fortsetzung

Veröffentlicht auf

Ein Aufsatz von Karl Marx

Judenfeindschaft drang auf der Grundlage sozialdarwinistischer und vulgärmaterialistischer Ansichten auch in  Teile der Arbeiterklasse ein, weil die dagegen immunisierend wirkende  marxistische Gesellschaftstheorie nur kleineren Teilen der Arbeiterbewegung bekannt war.

Es wird ein Aufsatz von Marx Judenfrage herangezogen, um dessen Verhältnis und das der Arbeiterbewegung zu diskreditieren. Der zweiteilige Aufsatz "Zur Judenfrage“ stammt aus dem Jahre  1843. Nun muss man zunächst sagen, dass Marx zu dieser Zeit noch auf dem Weg zum Marxismus war, schon weit vorangekommen auf diesem Weg, aber immer noch Strecken des Wegs zurückzulegen hatte. Es gibt in dem Aufsatz Anzeigen dafür, dass Marx noch unter dem Eindruck des christlich-abendländischen Juden-Bildes Juden einschätzte - das reicht noch bis in die erste Feuerbach-These, wo die Rede von der schmutzig-jüdischen Praxis ist. Der Aufsatz von Marx war primär eine Auseinandersetzung mit Bruno Bauer, der die Judenfrage vor christlichen Hintergrund als eine religiöse Frage behandelte. Marx unternimmt es nachzuweisen, dass es sich hier um ein politisches Problem handelt, dem soziale Erscheinungen zugrundeliegen: das Geld, die Geldwirtschaft. Marx berücksichtigt die sozial-historischen Gründe dafür noch nicht, später tat das sehr wohl. Angesichts dessen, dass im Geldbereich Juden eine starke Rolle spielten, setzte Marx Geldmanager und Juden gleich. kritisierte beides in dieser Kombination.

Marx´ Bild war in gewisser Weise noch unhistorisch, aber in diesem Bild und dieser Kritik entfaltete sich bereits eine frühe Form von Kapitalismus-Kritik. Dass dies mit Antisemitismus nicht zu tun hat, kann man schon daraus erkennen, Marx war zu dieser Zeit Chefredakteur der „Rheinischen Zeitung“. Darin führte er einen entschiedenen Kampf für die Emanzipation der Juden, welchen durch Erlass vom 4. Mai 1816 die bürgerlichen Rechte wieder geraubt wurden, die Napoleon ihnen „geschenkt“ hatte. Wo Marx in dem genannten Aufsatz und in der ersten Feuerbach-These Jüdisches anspricht, ging es ihm um den Kapitalismus. Alle späteren Äußerung Marxens zur Judenfrage lassen keinen Zweifel daran, dass Marx nicht antijüdisch sondern antikapitalistisch argumentiert. Keinesfalls ist es zulässig, etwa gestützt auf  Marx Aufsatz „Zur Judenfrage“ einen besonderes jüdischen Typus als Repräsentanten des Kapitalismus zu bilden und namens des Antikapitalismus gegen einen solchen erfundenen Typus zu opponieren.

Veröffentlicht in Antisemitismus

Um über die neuesten Artikel informiert zu werden, abonnieren:
Kommentiere diesen Post