Noch eine Einstimmung auf die Veranstaltung am 20.2. zur neuen französischen Linkspartei

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Zur Einstimmung auf diese Veranstaltung, noch einige sentimentale Worte von Michael Prütz:

liebe freunde und freundinnen,nam nächsten donnerstag wird die ligue communiste révolutionnaire aufgelöst +am darauf folgenden wochenende die nouvelle partie antikapitaliste gegründet. 9.400 menschen haben eine mitgliedskarte der npa erworben. damit ist der gründungsbestand der npa dreimal so groß wie der der lcr. an diesem wochenende wurde in frankreich der lafontaine-ableger partie de gauche gegründet, dessen mitglie-derzahl 4.000 beträgt. es handelt sich dabei hauptsächlich, ähnlich wie bei der wasg, um ausgetretene sozial-demokraten. während der gründungskonferenz von partie de gauche veranstalteten npa-mitglieder in einem großen pariser supermarkt ein öffentliches picknick, d.h. die lebensmittel wurden aus den regalen genommen +zusammen mit den supermarktbesuchern verzehrt. diese aktionsform findet großen anklang+wird seit wo-chen in mehreren supermärkten durchgeführt, um auf die extreme teuerungsrate aufmerksam zu machen. die vorläuferorganisation der ligue wurde 1966 als jeunesse communiste révolutionnaire gegründet.alain krivine, daniel bensaid+henri weber wurden aus der kommunistischen jugendorganisation ausgeschlossen, weil sie sich weigerten, einen wahlaufruf zugunsten des sozialdemokraten mitterand zu unterzeichnen. 1968 umfasste diese gruppe ungefähr dreihundert leute+stellte sich entschlossen auf die seite der rebellierenden studenten. in den großen straßenschlachten im quartier latin vor beginn des generalstreiks verlegte die jcr ihre zentrale mitten ins quartier.während die anderen trotzkistischen organisationen nach hause gingen+das abenteurertum der studenten anprangerten, half die jcr mit, das kräfteverhältnis zwischen den studenten+dem damals riesi-gen apparat der kommunisten zu verändern.
die jcr lernte ich selbst im februar 1968 bei der großen vietnamdemo in berlin kennen, damals war ich 16. die sds-häuptlinge waren bass erstaunt über die militanz+lebendigkeit des 200-köpfigen jcr-blocks. seit dieser zeit beobachte ich aufmerksam die entwicklung der lcr,übrigens auch in meinen schlimmsten reformistischen pds-zeiten, aber immer aus der kuschligkeit des graefe-kiezes heraus...
1969 wurde aus alten trotzkisten+der jcr die ligue communiste gegründet. 1971, zum 100. jahrestag der pariser commmune, nahm ich an einer internationalen demonstration, zu der die ligue aufgerufen hatte, in paris teil. 30.000 menschen marschierten unter riesigen roten fahnen zum père-lachaise. der tagesspiegel schrieb damals: "krivine ist der kommende mann der französischen linken!"... zu diesem zeitpunkt frönte die ligue einem extremen aktivismus+militantismus, der 1973 in einem angriff von tausend bewaffneten ligue-mitgliedern auf eine veranstaltung der faschistischen ordre nouveau im zentrum von paris gipfelte. nach stundenlangen straßenschlachten wurde die ligue noch am selben abend vom innenminister verboten. krivine ging in den knast, sein anwalt war übrigens mitterand. erst anderthalb jahre später konnte die politische arbeit fortgesetzt werden und die lcr wurde neu gegründet. 1976 wurde unter dem motto: "wir wollen die partei der zehntausend werden", die ligue hatte zu dem zeitpunkt ca. 2.000 mitglieder, eine tageszeitung herausgegeben. dies endete im völligen desaster, alle ressourcen der organisation wurden für produktion+ vertrieb beansprucht. die mitglieder der ligue waren erschöpft und müde+eine reihe von grundorganisationen trat in einen parteiinternen streik unter dem motto: "mehr demokratie, mehr transparenz, wir wollen ein leben neben der organisation". es wurde beschlossen, keine versammlungen mehr abzuhalten, keine flugblätter mehr zu verteilen+keine zeitung mehr zu verkaufen. infolge dieser schweren krise trat henri weber aus+wurde mitglied der sozialistischen partei, deren senator er heute ist.
in den achtziger jahren waren die wahlergebnisse der ligue bescheiden zwischen 0,3+ einem prozent. es wurde versucht, mit einer reihe von anderen organisationen zu fusionieren, alle diese versuche scheiterten. der wirkliche niedergang der ligue aber begann nach 1989, als nach der wende in osteuropa klar war, dass es nicht zu einer politischen revolution, sondern zur restauration des kapitalismus kam. 1994 hatte die ligue noch achthundert mitglieder.
an einfluss gewann sie erst wieder mit dem vierwöchigen generalstreik im öffentlichen dienst 1995. langsam kamen wieder neue mitglieder+im jahre 2000 beschloss die lcr-führung, einen generationswechsel durchzuführen. statt krivine trat nun besancenot an die spitze, ein junger postbote, der 2001 bei den präsidentenwahlen 4,1% der stimmen erhielt, 1,2 millionen. nach den wahlen 2001 reifte der plan, die lcr als trotzkistische organisation zugunsten einer breiteren organisation aufzulösen, um die lücke zwischen der extremen popularität von besancenot+dem realen einfluss der lcr zu überbrücken. nach der wiederholung des wahlerfolgs in 2007, 1,5 millionen stimmen, wurde dieses projekt dann energisch in angriff genommen. der generationswechsel ist vollständig geglückt, heute dominieren die dreißig- bis vierzigjährigen+die altachtundsechziger nehmen beratende funktion wahr. das ergebnis wird am nächsten wochenende als npa gegründet. ein bisschen sentimental bin ich schon, da die ligue mich die letzten vierzig jahre, also mein gesamtes politisches leben, begleitet hat...
... und ich hoffe, wir sehen uns alle am 20.02.2009 bei unserer npa-veranstaltung mit bernard schmid.
Michael Prütz 01.02.2009
Veranstalter:
BASG-Salz e. V. & isl-RSB / IV. Internationale

(aus linkezeitung)

Veröffentlicht in politische Praxis

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