Französische Linke zum 1. Mai - ein Stück "Einheitsfront"?

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FRANKREICH

 

Ein Ausdruck von der Stimmung im Lande ist die Erklärung, mit der sich 12 Parteien bzw. Gruppierungen der französischen Linken gemeinsam zum 1. Mai geäussert haben. Sie rufen zu einem erfolgreichen und kämpferischen 1. Mai auf bzw. zur Unterstützung der von den Gewerkschaftsverbänden ebenfalls gemeinsam organisierten Demonstrationen zum 1. Mai (was in Frankreich nicht unbedingt selbstverständlich ist - Stichwort: Rivalitäten und Zersplitterung der Gewerkschaftsbewegung).

Die Erklärung ist am Samstag, den 25. April, unterzeichnet worden - von einem Spektrum, zu dem als grössere Formationen die Französische Kommunistische Partei (PCF), die Linkspartei (PG), die Neue Antikapitalistische Partei (NPA) und ... die Sozialistische Partei (PS) gehören. (Es fehlen die Verts, die französischen Grünen, einer- und LO andererseits.)

http://www.npa2009.org/content/déclaration-unitaire-pour-un-grand-1er-mai-de-convergence-des-luttes

 

ÜBERSETZUNG:

Gemeinsame Erklärung:

Für einen großen 1. Mai, bei dem die Kämpfe zusammenkommen!

Samstag, 25. April 2009

 

Nach den Mobilisierungen vom 29. Januar und vom 19. März wird in ganz Frankreich ein außergewöhnlicher 1. Mai vorbereitet.

 

Zum ersten Mal seit langem rufen alle Gewerkschaftsverbände gemeinsam auf, und es sind

mehr Demonstrationen vorgesehen, als es am 19. März gegeben hat.

 

Seit inzwischen mehreren Monaten steigt die soziale Wut im Lande an, es finden die unterschiedlichsten Aktionen statt. Immer mehr Kämpfe gehen von der Verteidigung der Arbeitsplätze und der Ablehnung der Entlassungen aus. Bereiche wie die Universität und die Bildung, das Gesundheitswesen oder die Post sind seit Monaten mobilisiert. In anderen wie bei EDF-GDF [die noch weitgehend staatlichen Unternehmen für Elektrizität und Gas] werden die Aktionen intensiver.

 

 Der 1. Mai kann eine zusätzliche Etappe für das Zusammenkommen und die Verallgemeinerung der gesellschaftlichen Mobilisierungen darstellen; insbesondere die Bewegung auf den Antillen [den französischen Übersee-Departements Guadeloupe und Martinique] hat gezeigt, wie wirkungsvoll

dies sein kann.

 

Obwohl die politischen Entscheidungen der Regierung immer mehr in Frage gestellt werden, weigert sie sich, den sozialen Forderungen Gehör zu schenken, die unter anderem in der gemeinsamen Plattform der Gewerkschaften vom 5. Januar und in den Aktionstagen vom 29. Januar und 19. März zum Ausdruck gekommen sind.

 

Die Regierung geht in keiner Weise auf die dringenden sozialen Fragen des Landes ein, sie lässt die Entlassungspläne laufen, sie fährt mit der Umsetzung von Entscheidungen fort, die dazu führen, dass die Bevölkerung die Rechnung für die Krise zahlt und vergräbt sich auf allen Ebenen in einen unerträglichen Autoritarismus und in Verachtung. Alle Ampeln der sozialen und der wirtschaftlichen Lage des Landes stehen auf Rot.

 

Der Politik von Nicolas Sarkozy und des [Unternehmerverbands] Medef muss ein Strich durch die Rechnung gemacht werden, und es gilt das Verlangen nach Entscheidungen im Sinne von Gerechtigkeit und Solidarität zu stärken.

Das bezieht sich insbesondere auf die Ablehnung der Stellenstreichungen und auf die Prekarisierung, in der

Privatwirtschaft wie im öffentlichen Sektor; auf die Anhebung der Gehälter, des gesetzlichen Mindestlohns, der sozialen Mindestbezüge und der Renten; auf die Verteidigung und den Ausbau der öffentlichen Dienste und der Stellen in diesen Diensten; auf die Rücknahme des Bachelot-Gesetzes und des Pécresse-Gesetzes [„Reformen“ der für die Krankenhäuser und die Universitäten zuständigen Ministerinnen]; auf die Umorientierung des Reichtums auf die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen, mit denen unser Land eine ganz andere Entwicklung einschlagen kann, die auf der Befriedigung der gesellschaftlichen Bedürfnisse unter Respektierung der ökologischen Gleichgewichte beruht.

 

Der Gipfel der G20, der von Nicolas Sarkozy als großer Erfolg hingestellt worden ist, hat nur die Optionen bekräftigt, auf die die Krise zurückgeht. Von den Mechanismen der Finanzakkumulation, auf welche die Krise zurückgeht, wird kein einziger in Frage gestellt; denn für N. Sarkozy und das Führungspersonal der Großmächte geht es im wesentlichen um die Rettung dieser Mechanismen.

 

Die Regierung, die in immer größeren Schwierigkeiten steckt, scheint jetzt mit der einer Strategie der Spannung zu liebäugeln, sie versucht mit dem Thema Unsicherheit Punkte zu machen. Sie verstärkt ihre Anstrengungen zur Kriminalisierung der gesellschaftlichen und kollektiven Aktionen, versucht, die „séquestrations“ (das Einsperren) von Unternehmern zu instrumentalisieren, die von einer Mehrheit der Bevölkerung als berechtigt empfunden werden, und sie lanciert ein neues Sicherheitsgesetz, mit dem die Jugendlichen stigmatisiert werden sollen.

 

Die Umfragen haben gezeigt, dass die soziale Empörung weithin geteilt wird. Wir lehnen jegliche Beschneidung der Freiheiten ab, sie zielen darauf ab, den sozialen und politischen Protesten einen Maulkorb zu verpassen. Der Frage der Arbeitsplätze wird sehr hohe Bedeutung bekommen.

 

In Anbetracht von Konzernen, die ihre Beschäftigten zugunsten der Ausschüttungen an ihre Aktionäre und an  die Leute in den höchsten Chefetagen opfert, ist es an der Zeit, die Entlassungen ganz schnell zu stoppen und jedwede Folge der Kurzarbeit für die Beschäftigten zu beseitigen.

 

In diesem Sinne werden wir an der Seiten aller Betroffenen aktiv werden.

Unsere Organisationen, die das schon bei den früheren sozialen Mobilisierungen getan haben, rufen dazu auf, den 1. Mai 2009 zu einem historischen Erfolg zu machen.

 

Sie werden an der Seite der Lohnabhängigen, aller arbeitenden Menschen, der gesamten Bevölkerung sein und dazu beitragen,  die Mobilisierung des Volks auszuweiten, damit wir die notwendigen politischen Kursänderungen erreichen.

 

Unterzeicher: Alternatifs, NPA, PCF, PS, Gauche Unitaire, PG, MRC, PCOF, Fédération, ADS, Alter-Ekolos-

Ecologie Solidaire, CNCU.

Veröffentlicht in politische Praxis

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