Ist denn Feminismus links? Randbetrachtungen von EBS zum PdL-Bild

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Vor MEINEM Kommentar eine Original-Frauenstimme:

"Am  Abend vor dem Wahlparteitag der Partei DIE LINKE findet eine bemerkenswerte Veranstaltung statt. Katja Kipping stellt ihr Buch 'Ausverkauf der Politik' vor. Miteinladerinnen und Podiumsdiskutantinnen sind die sächsische Landtagsabgeordnete Caren Lay sowie die nordrhein-westfälische Landessprecherin Katharina Schwabedissen. Alle drei Frauen setzen sich unabhängig vom rechts-links-Koordinatensystem der Linkspartei entschieden für die Übernahme feministischer Positionen in Programm und Praxis der Partei ein.

Die Debatte geht rasch über das Transformationsmöglichkeiten in Gesellschaft und Wirtschaft thematisierende Buch der 32jährigen stellvertretenden Parteivorsitzenden hinaus. Diskutiert werden die Erfahrungen und Möglichkeiten der Frauen in der vor zwei Jahren aus PDS und WASG entstandenen Partei. Rasch ist klar, auch auf Nachfrage bleibt die Kritik der drei linken Feministinnen überwiegend abstrakt. Eingefordert wird die Integration feministischer Positionen und eine andere Kultur der Politik. Dabei gibt es konkrete Erfahrungen, die veranschaulichen mit welchen Schwierigkeiten Frauen in der Linkspartei zu kämpfen haben.

So wurde z.B. bei der Aufstellung der Landesliste zur Bundestagswahl im Saarland unter Beteiligung des Parteivorsitzenden Oskar Lafontaine die Frauenquote ausgehebelt. Nur einer von fünf Plätzen wurde an eine Frau vergeben. Zwei Männer führen die Liste an. Nicht wirklich überraschend wurde dabei deutlich, dass die in der Satzung der Partei verankerte Frauenquote wie von vielen ehemaligen WASG-Mitgliedern, auch vom Vorsitzenden Lafontaine, als formale und nicht als inhaltliche Bedingung linker Personalpolitik aufgefasst wird. Verargumentiert wird daas Vorgehen gegen die Frauenquote regelmäßig mit dem abgestandenen Argument, dass es eben auf die Qualifikation des Kandidaten, unabhängig vom Geschlecht ankomme.

Aber auch fachlich hoch kompetente mit politischen Aufgaben betraute Frauen müssen in der Linkspartei um den ihnen zustehenden Einfluss kämpfen. Die alten Männer an Partei- und Fraktionsspitze machen einen umfassenden Führungsanspruch auf. Für jeden sichtbar wurde dies jüngst, als im Dezember 08 der Vorstand der Bundestagsfraktion das sogenannte 'Klaus-Ernst-Papier' zur Überwindung von Hartz IV vorlegte. In den Entstehungsprozess war weder die sozialpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, Katja Kipping, noch die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, Kornelia Möller, einbezogen worden.

Derartige Vorgänge  unter der Forderung nach einer anderen politischen Kultur zu subsummieren, aber nicht Ross und Reiter zu benennen, charakterisiert die prekäre Lage von Frauen in der Linkspartei. Zwar sind Vorstand und Bundestagsfraktion quotiert, aber  Partei und Bundestagsfraktion werden von faktisch von einer Männerriege geführt. Frauen sollen sich unterhalb dieser Männerriege in Funktionen und Rollen einfinden, die ihnen zugewiesen werden – am Besten ohne die Zwänge und Zuschreibungen überhaupt in Frage zu stellen. Dass dies auch von Frauen außerhalb der Partei so wahrgenommen wird, ist einer von mehreren Gründen, weshalb die Linkspartei weder ausreichend Frauen als Mitglieder noch als Wählerinnen gewinnt.

Wie sich Frauen in der Linkspartei der bestehenden von Männern dominierten politischen Kultur der Partei praktisch unterordnen, zeigt sich am folgenden Tag. Dem Problem des geringen weiblichen Anteils in der Wählerschaft will die Partei nun mit einem Aufruf der Parteifrauen begegnen. In das satzungsgemäße Frauenplenum des Parteitags wurde daher von einer Vorbereitungsgruppe aus Bundesvorständlerinnen und Genossinnen der Linkspartei-Frauenorganisation LISA ein Wahlaufruf eingebracht. Mit dem Aufruf „Wir können auch anders - es ist an der Zeit!“ hat die Partei dabei wieder einmal eine ihrem Charkter entsprechende Sackgasse gefunden, die sie betreten kann. Anstatt Frauen aus der Bewegung zu motivieren ihre Ansprüche und Forderungen zu formulieren und an die Partei DIE LINKE zu richten, übernehmen diese Rolle die Parteifrauen. Dass dies nicht die gleiche Wirkung haben kann, wie ein Wahlaufruf aus der Frauenbewegung, dürfte unumstritten sein. Dies war neben notwendigen Ergänzungen zur Umweltfrage und einer Schärfung des antikapitalistischen, internationalistischen Profils dann auch der Hauptkritik- und Streitpunkt im Frauenplenum am frühen Vormittag des Parteitags. Die Mehrheit der seit langem in der Frauenbewegung tätigen Frauen sprach sich gegen einen Wahlaufruf der Parteifrauen aus. Dass sie sich mit ihren guten Argumenten nicht durchsetzen konnten, lag daran, dass die bewegungsorientierte Sicht der LISA-Frauen der Mehrheit im Frauenplenum fehlte. Statt dessen legte die Mehrheit der anwesenden weiblichen Delegierten des Parteitags Wert darauf, einen sichtbaren Beitrag der Frauen zum Wahlkampf zu leisten. Im Frauenplenum wurde dabei offenbar, dass auch die Mehrheit der Parteifrauen die Rolle der Wahlpartei gegenüber der Rolle der Bewegungspartei überbetont und für ein wahlpolitisches Signal, welches positive Wirkungen vor allem in die Partei hinein entfaltet, Wirkungslosigkeit in der Frauenbewegung in Kauf nimmt.

Davon unabhängig werden in dem Aufruf frauenpolitische Forderungen aus dem Wahlprogramm der Linkspartei unterschiedslos neben Forderungen der Frauen, die in der Partei weder beschlossen noch überhaupt diskutiert worden sind, gestellt. Die linksfeministische Umgestaltung der Gesellschaft entsprechend den von Frigga Haug entlehnten Vorstellungen einer Neuaufteilung der gesellschaftlichen Arbeit zu gleichen Teilen in Erwerbsarbeit, Sorgearbeit, Arbeit an sich selbst und politischer Arbeit beschreibt eine Utopie, die in der Linkspartei nicht Programm ist. Es ist nicht zielführend damit in einem Wahlaufruf zu operieren, denn es führt zur Täuschung und Enttäuschung der Wählerinnen. Beides ist für eine nachhaltige Gewinnung von Mitgliedsfrauen und Wählerinnen nicht nützlich, sondern schädlich.

Edith Bartelmus-Scholich, 20.6.09

Dokumentiert:

 
Wir können auch anders - es ist an der Zeit!
Wir Frauen sind mehr als die Hälfte. Wir wollen eine grundlegende Veränderung der Verhältnisse - mit Weniger geben wir uns nicht zufrieden. Deshalb rufen wir alle Frauen auf, DIE LINKE zu stärken und mitzumachen.
Während riesige Vermögen gesammelt wurden, fehlt immer mehr Menschen das Allernötigste. Es gibt eine Überproduktion von Waren, auch von Lebensmitteln, aber trotzdem hungern Menschen. Die Entwicklung der Produktivkräfte ist  rasant steigen lassen,  verkürzt aber nicht den Arbeitstag, verlängert ihn sogar und schickt immer mehr in Erwerbslosigkeit. Die gegenwärtige Krise zeigt diese Ungeheuerlichkeiten noch deutlicher.
Der Anteil der geringfügig, befristet, selbstständig und in Leiharbeit Beschäftigten ist stark gestiegen. Das sind überwiegend Frauen; von solcher Arbeit kann niemand leben.
Notwendige Arbeiten am und mit Menschen, werden zunehmend in die Familien verlagert. Hier wird die meiste Arbeit von Frauen erledigt: - für die eigene wirtschaftliche Absicherung, heute und im Alter -, umsonst.
Die von anderen Parteien propagierten Modelle zur Krisenbewältigung bieten keine Lösungen. Als Bewahrer des Systems stützen sie die Verursacher der Krise zu Lasten der Mehrheit der Menschen. Wir aber wollen nicht weiter auf Kosten der Umwelt und anderer Menschen leben und produzieren.
Deswegen streiten wir für einen demokratischen und gerechten Gesellschafts- und Geschlechtervertrag. Dieser muss garantieren, dass alle gleichermaßen an allen vier Bereichen des Lebens teilnehmen können: an der Erwerbsarbeit, der Betreuungs- und Pflegearbeit, der kulturellen Entwicklung und Selbstentfaltung und am politischen Engagement. Deshalb richten wir die Politik an folgenden Perspektiven aus:
1. Radikale Arbeitzeitverkürzung
Beim gegenwärtigen Stand der Produktivkraftentwicklung und angesichts der Krise sind 20 Stunden Erwerbsarbeit pro Woche möglich. Auf dieser Grundlage sollen alle, die Erwerbsarbeit leisten wollen, eine Tätigkeit erhalten, die ihren Interessen entspricht und gut entlohnt wird. Die Existenzsicherung derjenigen, die nicht erwerbstätig sind, muss sanktionsfrei und individuell gewährleistet werden.
Linke Politik ist daher auch wesentlich Arbeitszeitpolitik.
2. Konsequente Umverteilung von Arbeit und Sorge für Mensch und Natur
Wir wollen eine gleiche Verteilung der Aufgaben auf beide Geschlechter: Bei der Sorgearbeit für Mensch und Natur kann niemand ausgeschlossen sein. Männer entfalten hier ihre sozialen Fähigkeiten ebenso wie Frauen.
Linke Politik ist also auch eine Politik kultureller Veränderung.
3. Zeit und Möglichkeiten für Arbeit an sich selbst.
Wir wollen, dass allen Menschen sowohl die Zeit als auch die materielle Voraussetzung für ihre kulturelle Entwicklung, Bildung und Muße zur Verfügung stehen. Dazu gehört der lebenslange Zugang zur Bildung und kulturellen Einrichtungen.
Linke Politik zielt also auch darauf ab, Zeit und Raum für die Entwicklung aller zu schaffen.
4. Ein gesellschaftlicher Aufbruch zu einer Politik der Mitgestaltung
Eine lebendige Demokratie braucht die Beteiligung Vieler. Entscheidungen über den Lebensalltag kommen zuerst in den Kommunen zum Tragen. Linke Politik muss hier ansetzen, mit Initiativen und Organisationen zusammenarbeiten und neue Beteiligungsformen praktizieren. Nur wenn sich Viele einbringen wird eine andere Gesellschaft möglich.
Linke Politik arbeitet daraufhin, dass Politik eine Sache von allen wird.

Die Voraussetzungen für eine solche Umgestaltung der Gesellschaft sind vorhanden. Es kommt jetzt darauf an, auch politische Mehrheiten dafür zu erreichen. Deshalb rufen wir dazu auf, DIE LINKE. zu stärken und am 27. September dafür zu sorgen, dass sie mit einer starken Fraktion in den Deutschen Bundestag einzieht.
Druck von Links für eine neue Zeit und eine neue Zeitpolitik!

Christine Dommer
Hildegard Heinemann
Anny Heike
Katja Kipping
Conni Möhring
Bärbel Lange
Biggi Ostmeyer
Christel Rajda
Vera Vordenbäumen
Ulrike Zerhau

 

Veröffentlicht in politische Praxis

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