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»Im Bereich Ökologie verdichten sich Widersprüche«

Ressourcenknappheit und Klimakatastrophe erfordern planwirtschaftliche Lösungen. Ein Gespräch mit Bruno Kern

Interview: Claudia Wangerin
Bruno Kern ist Sprecher der »Initiative Ökosozialismus« und Mitorganisator der Konferenz für Ökologie und Sozialismus, die am Wochenende in der Volkshochschule Region Kassel stattfindet

Die Konferenz für Ökologie und Sozialismus hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, Strategien zu entwickeln, um international gegen die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen und die kapitalistische Aufrüstung vorzugehen. Welche Anknüpfungspunkte gibt es dafür?

Die Veranstaltung als punktuelles Ereignis kann das natürlich nicht leisten. Wir verstehen uns als Teil einer weltweiten Bewegung und beziehen uns bewußt auf die ökosozialistische Erklärung von Belém, die auf dem Weltsozialforum verabschiedet wurde. Die erfolgreiche Massenmobilisierung zum Klimagipfel in Kopenhagen hat gezeigt, daß dahinter eine reale Bewegung steht. Andererseits hat Kopenhagen auch gezeigt, daß wir von der internationalen Klimadiplomatie kaum etwas zu erwarten haben. Wir müssen auf anderen Ebenen kämpfen und auf nationaler Ebene versuchen, gefährliche Weichenstellungen zu verhindern. Zum Beispiel, indem wir den Kampf gegen die geplanten Kohlekraftwerke unterstützen, aber auch um die Vergesellschaftung des Energiesektors kämpfen. Wir müssen uns international vernetzen, aber vor Ort und national etwas bewirken.

Im UN-Klimareport sind Fehler aufgetaucht, die gerne zum Anlaß genommen werden, das Problem des Klimawandels an sich in Abrede zu stellen. Welche Rolle wird das Ihrer Meinung nach in der politischen Auseinandersetzung spielen?

Die Schlampereien, die es im IPCC-Report nachweislich gegeben hat, ändern nichts an der Grundproblematik. Von Leuten, die das Phänomen aus einer durchschaubaren Interessenlage bestreiten, wird das natürlich gerne zum Anlaß genommen, den Klimawandel als Panikmache abzutun. Aber das Bewußtsein der Menschen ist inzwischen so gewachsen, daß sie sich dadurch nicht verwirren lassen.

Ist das Problem nur in einer ökologischen Planwirtschaft zu lösen, oder ist es denkbar, daß der Kapitalismus dafür eigene – wenn auch sozial ungerechte – Lösungen findet?

Aus der historischen Erfahrung könnte man sagen, der Kapitalismus hat bisher immer flexibel reagiert, wenn er irgendwie in Bedrängnis geraten ist. Wir glauben aber, daß der Kapitalismus heute in einer ganz neuen Situation ist. Die Schranke, vor der das System jetzt steht, ist eine physikalische Schranke, die mit der Endlichkeit unserer Ressourcen zu tun hat. Der Kapitalismus befindet sich heute im Zangengriff. Mit der Klimakatastrophe kommt eine Ernährungskrise, die Verknappung von fruchtbarem Land und die Ausbreitung der Wüsten auf uns zu. Auf der anderen Seite brechen die fossilen Energieträger weg. Aus diesem Zangengriff gibt es mit marktwirtschaftlichen Mitteln gar kein Entrinnen.

Wir müssen uns auf eine Situation einstellen, in der wir das, was wir bisher im Überfluß hatten, nicht mehr im Überfluß haben. Wir werden unterm Strich weniger haben. Wenn das sinnvoll und solidarisch verteilt werden soll, muß verantwortungsvoll geplant werden. Sonst wird die Verknappung der Ressourcen zu einem Refeudalisierungsprozeß führen, in dem sich eine kleine Elite weiterhin einen großen Verbrauch leisten kann, während große Massen das Lebensnotwendige nicht mehr haben. Aus neuen Dürrezonen oder Überschwemmungsgebieten werden Flüchtlingsströme auf uns zukommen, die bei gleichbleibender Politik als Gefahr für die Stabilität Europas betrachtet und gegebenenfalls auch mit militärischen Mitteln zurückgewiesen werden. Im Bereich der Ökologie verdichten sich die gesellschaftlichen Widersprüche auf internationaler Ebene wie in einem Brennglas.

Welche Diskussionen und Referate werden sich mit den Alternativen beschäftigen – und welches Fachwissen haben die Referenten?

Natürlich wird es eine Diskussion über die Möglichkeiten der ökologischen Planwirtschaft geben, mit einem Referat von Klaus Engert. Außerdem haben wir den Verkehrsexperten Winfried Wolf eingeladen, der Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats von ATTAC ist. Über die internationale Dimension und die ökologische Perspektive aus der Sicht Chinas wird die Sinologin Eva Sternfeld sprechen, die sich auf Umweltgeschichte, Ressourcenökonomie und chinesische Umweltpolitik spezialisierte hat.



Konferenz für Ökologie und Sozialismus, 13./14. März, Saal der Volkshochschule Region Kassel, Wilhelmshöher Allee 21, 34117 Kassel www.bildungsgemeinschaft-salz.de

jW 12.03.2010 / Inland / Seite 8Inhalt

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