Die französische neue Linkspartei zu Europa

Veröffentlicht auf

Grinsend denke ich
a) an die PdL mit ihrem vorichtigen Jein, was sich im Nein auf das Lissabon-Machwerk bezieht und
b) an Lenin mit seiner immer noch aktuellen Analyse, die "Vereinigten Staaten von Europa" wären entweder unmöglich oder reaktionär.
Aber immerhin muss man ja Optimismus zeigen:

"Das Europa, das wir wollen: Ein demokratisches Europa der ArbeiterInnen und Völker!

Wir schlagen einen „Dringlichkeitsplan für Europa" vor, den wir in den sozialen Kämpfen und bei den Wahlen 2009 vertreten werden.

Wir müssen die Aufkündigung aller Verträge und Abkommen für ein liberales Europa fordern (Abkommen von Lissabon, Barcelona,Schengen).

Ein wirklich soziales Europa wird erst entstehen können, wenn die ArbeiterInnen in einer Gegenoffensive alle Gesetze und Maßnahmen aufheben, die soziale Rückschritte gebracht haben und in allen europäischen Ländern von den UnternehmerInnen und ihren Regierungen durchgesetzt wurden.

Es geht darum, das Verbot von Entlassungen und die Aufteilung der Arbeit auf alle, die Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 30 Stunden, Renten ab spätestens 60 Jahren

und eine allgemeine Erhöhung der Löhne durchzusetzen. Wir wollen einen europäischen Mindestlohn, der gemessen an der Kaufkraft den 1500 Euro netto entspricht, die wir in Frankreich fordern. Es muss eine von öffentlichen Haushaltsmitteln und nicht von privaten Versicherungen gedeckte obligatorische Krankenversicherung eingeführt werden. Damit erhalten alle unverzüglich Zugang zu kostenloser, qualitativ hochstehender gesundheitlicher Nahversorgung. Wir fordern die Angleichung der durchgesetzten Arbeitsrechte und der öffentlichen Dienste an den jeweils höchsten Standard, wann immer die europäische Ebene ins Spiel kommt: im Luft- und Eisenbahnverkehr, der Schifffahrt, Energie, Wasser, Telekommunikation, bei Pharmakonzernen etc.

Um all dies durchzusetzen, müssen die Gewinne angezapft werden und die Lohnabhängigen sowie die Bevölkerung die Geschäftsbücher der Unternehmen und Kapitalbewegungen kontrollieren, die Schließung von Steuerparadiesen und die Einführung von Besteuerung von Kapital durchsetzen, das in Finanzoperationen investiert wird. Die Wirtschaftslage macht auch erforderlich, dass die Bevölkerungen die Zentralbanken und insbesondere die Europäische Zentralbank kontrollieren, damit die Ersparnisse dazu eingesetzt werden, gesellschaftlich sinnvolle Arbeiten (Wohnbau, öffentlicher Verkehr …) zu finanzieren. Eine Harmonisierung der Besteuerung auf der Grundlage progressiver Steuern mit wesentlich höheren Abgaben für die Reichen und die Abschaffung der indirekten Steuern werden sowohl die Beendigung des Sozial- und Steuerdumpings erlauben als auch eine neue soziale Logik einleiten, die mit jener der KapitalistInnen bricht.

Ein wirkliches Europa der Völker bedeutet, dass jedes Volk das Recht auf seine eigene Sprache, Kultur und Wahl der eigenen Institutionen hat; allgemein bedeutet es das Recht, über

sein eigenes Schicksal zu entscheiden.

Es geht auch darum, sich gegen den europäischen Haftbefehl, ein politisches Repressionsmittel in der Hand der Staaten, zu wehren.

In einem wirklich ökologischen Europa, einem vereinten Europa, einem Europa der ArbeiterInnen wird eine demokratische Planung der Produktion und des Handels im ständigen Bemühen um Schutz der Natur und Umwelt ermöglichen.

Mit Agrarindustrie und GAP [gemeinsame Agrarpolitik] muss Schluss sein; die Produktion muss sich nach den Bedürfnissen richten und dort stattfinden, wo die Menschen leben, um die

Transportflüsse von Waren zu reduzieren. Wo nötig, muss der Transport auf dem umweltschonendsten Weg (Eisenbahn, Flussweg, Meer) erfolgen.

Die Bauern/Bäuerinnen müssen von ihrer Arbeit leben können und eine umweltschonende Landwirtschaft ohne Gentechnik betreiben. Alle müssen das Recht auf gesunde Ernährung

bei gleichzeitigem Schutz der Artenvielfalt haben.

Von der Europäischen Kommission muss die Bekanntgabe der identifizierten „Hochrisikosubstanzen" und ihr sofortiges Verbot gefordert werden.

Die sparsamere, abfallärmere handwerkliche Fischerei muss gefördert werden.

Das Wasser, ein wertvolles Gemeingut, muss öffentlich, transparent und für alle zugänglich verwaltet werden.

Ein Ausstieg aus der Atomkraft und anderen umweltschädlichen Energien ist nötig, und dafür müssen auf europäischer Ebene Forschungsgelder für alternative Energien bereitgestellt

werden.

Ein wirklich gleichberechtigtes Europa.

Das Europa, das wir wollen, muss die absolute Gleichberechtigung von Männern und Frauen bejahen. Es muss die Gleichheit der wirtschaftlichen, politischen und staatsbürgerlichen Rechte für Frauen und Männer

gewährleisten, insbesondere auf der Ebene der Löhne, des Rechts auf Abtreibung

und Verhütung. Namentlich müssen wir uns jeder Vermarktung des weiblichen Körpers widersetzen und für die Abschaffung der Prostitution kämpfen.

Der Weg dorthin erfordert auch die rechtliche Gleichstellung von AusländerInnen und vor allem das Recht auf einen französischen Pass für alle, die im Land geboren sind (droit du sol).

Wir werden uns weiterhin gegen die Festung Europa, für die Legalisierung und Niederlassungsfreiheit von Sans- Papiers sowie gleiche soziale und politische Rechte einsetzen.

Der Kampf gegen Diskriminierungen insbesondere auf sexistischer, rassistischer oder homosexuellenfeindlicher Grundlage muss zur Priorität werden.

Ein wirklich solidarisches Europa.

Die europäische Union beteiligt sich an der Beherrschung der Länder der südlichen Hemisphäre, der Herrschaft einer Handvoll reicher gegen die Mehrheit der armen Länder. Wir wollen eine Politik der Abrüstung, Schuldenstreichung, eine Politik der einvernehmlichen, solidarischen Zusammenarbeit mit den Ländern des Südens.

Ein Europa des Friedens setzt den Abzug aller europäischen Truppen von den gegen die Bevölkerung des Irak und Afghanistans geführten Kriegen und die Einstellung der Unterstützung von Diktaturen in Afrika und den Bruch mit der Nato voraus.

Wir wollen ein Europa, das die Grundrechte des palästinensischen Volks respektiert: das Recht auf einen unabhängigen Staat mit Ostjerusalem als Hauptstadt und das Recht

auf Rückkehr der Flüchtlinge. Ein Europa, das von Israel den Rückzug seiner Besatzungsarmee aus den besetzten Gebieten einschließlich Ostjerusalem, den sofortigen Abbau der Siedlungen und der Mauer sowie die Aufhebung der Blockade des Gazastreifens

fordert. Ein Europa, das Sanktionen auf wirtschaftlicher, politischer, kultureller, sportlicher Ebene umsetzt und das Assoziationsabkommen mit Israel aufhebt, solange sich dieses internationalem Recht widersetzt. Ein Europa, das seinen Unternehmen sofort verbietet, in den besetzten Gebieten mit Israel zusammenzuarbeiten.

Es braucht ein Europa, das den Rückzug der Truppen aus dem Libanon und Afrika fordert.

Ein wirklich demokratisches Europa.

Das Gemeininteresse kann nicht durch nicht gewählte Institutionen, eine Exekutive ohne politisches Mandat und unkontrollierte ExpertInnen vertreten werden. Die Völker Europas

müssen durch Einführung einer Verfassunggebenden Versammlung, in der sie ihre Zusammenarbeit regeln, selbst entscheiden können. Wir selbst werden darin unser Projekt einer Sozialistischen Union der Völker Europas vertreten.

 

2. Für einen Zusammenschluss der AntikapitalistInnen auf europäischer Ebene

Solche Brüche werden sich nicht vollziehen, wenn nicht die Lohnabhängigen und Völker selbst massiv eingreifen. Koordinierte Kämpfe auf europäischer Ebene finden zeitweise statt.

Es muss darauf hingearbeitet werden, dass diese Kämpfe gemeinsame Ziele vertreten, dass dauerhafte Beziehungen zwischen den sozialen Bewegungen aufgenommen, permanente

Diskussions- und Aktionsrahmen mit allen Kräften in den anderen Ländern aufgebaut werden, die sich auf den Antikapitalismus berufen.

Wir werden auch allen antikapitalistischen Kräften in Europa eine Diskussion vorschlagen, um die Möglichkeiten eines gemeinsamen Auftretens bei den Europawahlen zu prüfen.

3. Unsere Beteiligung an den Europawahlen

Diesen „Dringlichkeitsplan für Europa", der mit dem Kapitalismus bricht, wollen wir vertreten; ein antikapitalistisches Projekt, das eine Alternative zur bisherigen europäischen Politik darstellt. Bei diesen Wahlen werden wir die Politik der Unternehmer, der rechten, sozial-neoliberalen Regierungen oder Koalitionen aus Links-Rechts-Bündnissen bekämpfen, die unabhängig von den menschlichen und ökologischen Kosten der Verteidigung der Profite immer mehr Gewicht einräumen.

Wir verteidigen ein europäisches Dringlichkeitsprogramm, das den Aufbau eines sozialen, d.h. im Dienst der großen Bevölkerungsmehrheit stehenden Europas zum Ziel hat.

Wir bekräftigen unsere Unabhängigkeit gegenüber den „sozialdemokratischen" Parteien und ihren Verbündeten, weil sie die Politik der Unternehmerschaft mittragen oder umsetzen.

Wir haben nicht vergessen, dass sie auf den Gipfeltreffen von Lissabon und Barcelona beschlossen haben, die Liberalisierung der öffentlichen Dienstleistungen (Luftverkehr,

Post, Eisenbahn, Hafenanlagen …) voranzutreiben und jede Einschränkung des freien Kapitalverkehrs zu verbieten. Wir haben nicht vergessen, dass die meisten ihrer Parteiführungen den Entwurf zu einer europäischen Verfassung unterstützt und sich über die Interessen der Völker hinweggesetzt haben.

Der Gründungskongress der NPA spricht sich zugunsten eines dauerhaften Abkommens zwischen allen Kräften aus, die sich auf den Antikapitalismus berufen, ein Abkommen, das den Mobilisierungen und Kämpfen frischen Elan verleihen könnte, um die UnternehmerInnen, Banken und Regierungen auf nationaler wie europäischer Ebene für die Krise zur Kasse zu bitten. Ein solches Abkommen, das trotz des wiederholten Versagens der SP-Führung den Kampf gegen die Politik der Rechten unter Sarkozy fördern würde, würde dem Projekt eines Europas der ArbeiterInnen und Völker mehr Nachdruck verleihen.

Die NPA möchte als eine die Einheit fördernde Kraft auftreten und ist bereit, diesen Weg öffentlich und ohne Ausschluss sofort – auch für die Europawahlen – zu erkunden, insbesondere mit den Kräften, mit denen wir bei den letzten Kommunalwahlen einen

gemeinsamen Wahlkampf geführt haben.

Wir hoffen, dass diese Einheit fruchtbar und nützlich ist, um die sozialen, ökologischen und politischen Kämpfe zu stärken. In diesem Sinn gilt es, ihren Rahmen zu definieren:

1. Eine Einheit auf der Grundlage eines realen Inhalts, der die Gründe darlegt, warum wir den europäischen Verfassungsentwurf abgelehnt haben und der sowohl soziale wie auch ökologische und demokratische Fragen abdeckt. Durch die Krise wurde die Legitimität unseres Kampfs unterstrichen.

Die Einheit muss ein antikapitalistisches Projekt mit präzisem Inhalt befördern, das mit dem bestehenden System bricht und den Bedürfnissen der Bevölkerung entspricht.

2. Eine Einheit, die sich konkret vor Ort in sozialen und ökologischen Kämpfen gegen Sozialabbau, gegen die Aushöhlung des Rechts auf Arbeit und der öffentlichen Dienste, gegen den Produktivismus und die Vermarktung des Lebens, für den Ausstieg aus der Atomindustrie wiederfindet. Die Krise des produktivistischen, auf Ausbeutung beruhenden Kapitalismus ist eine zivilisatorische Krise, die sich in Wahlen allein nicht wird überwinden

lassen.

3.Eine Einheit, die statt eines perspektivlosen Wahlbündnisses dem Kampf der ArbeiterInnen dient und sich nicht auf die Europawahlen beschränkt, sondern auf die Regionalwahlen ausgedehnt wird, die wenige Monate später anstehen, jeweils unabhängig von der SP, einer Partei, die sich durch ihr Programm und ihre Praxis der Verwaltung des Kapitalismus verschrieben hat und jeden gesellschaftlichen Wandel aufgegeben hat."

Aus dem Französischen: Tigrib

Aus: inprekorr 448/449

Veröffentlicht in politische Praxis

Um über die neuesten Artikel informiert zu werden, abonnieren:
Kommentiere diesen Post