EBS über linke Rebellionen innerhalb der SPD
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Gewerkschaftlich organisierte Mitglieder wollen Kurswechsel und Bruch mit der Führung
Von Edith Bartelmus-Scholich
Gewerkschaftlich organisierte Mitglieder der SPD aus mehreren Bundesländern haben sich wenige Tage vor der Bundestagswahl am 27.9.09 mit einem Aufruf an die Parteibasis und die Öffentlichkeit gewandt. In dem zweiseitigen Papier wird der Aufruf die SPD zu wählen mit der Forderung eines politischen Richtungswechsels und dem Bruch mit der Führung der SPD gefordert. Dazu heißt es herausgehoben: "Es gibt keine dringlichere Aufgabe, als die SPD von ihrem gescheiterten Führungstrio zu befreien!"
Offener Aufstand
Auslöser der Initiative ist die Erkenntnis der UnterzeichnerInnen, dass ohne eine politische Kurskorrektur die Lasten der Finanz- und Wirtschaftskrise zu großen Teilen auf die Beschäftigten abgewälzt werden: "Alle wissen, das Programm, was die Krise diktiert, wird das der Massenentlassungen sein; es wird das Programm des Sozialabbaus, der Zerstörung der Sozialversicherungs
Dem gegenüber fordern die Rebellen aus der eigenen Interessenlage heraus: "Wir, die arbeitende Bevölkerung und Jugend, brauchen eine Regierung, die Sofortmaßnahmen ergreift, wie sie mit dem "Moratorium in Sachen Entlassungen" von der IG Metall gefordert wurde, was für die Kollegen nur heißen kann: ein wirkliches Moratorium, das Entlassungen verbietet; eine Regierung, die für die wirkliche Rettung der 26 000 Arbeitsplätze bei Opel und der Produktionsstandort
Die UnterzeichnerInnen der Erklärung sehen realistische Möglichkeiten einer politischen Kurskorrektur nur auf der Bundesebene. Die Spielräume von rot-rot-grünen Landesregierungen werden vor dem Hintergrund der Ergebnisse der rot-roten Landesregierung in Berlin als dürftig eingeschätzt. Dazu heißt es: ""Sparen bis es quietscht" - die soziale Lage der Berliner Kinder ist dramatisch, jedes dritte Kind lebt von Hartz IV; die sozialen Jugendeinrichtungen
Insgesamt konstatieren sie, dass die bisherige Politik der SPD den Interessen der Arbeitnehmerbasis der Partei zuwiderläuft. Sie folgern: "Wir sehen nur eine Regierung, die solche politischen Maßnahmen ergreifen könnte und würde: das kann nur die Regierung einer SPD sein, die öffentlich vor dem Volk mit der Politik der Steinmeier, Müntefering, Steinbrück und Schröder gebrochen und sich auf solche politische Maßnahmen verpflichtet hat."
Zur Erreichung des Kurs- und Führungswechsels in der SPD wollen die Rebellen die Mitgliederbasis und die soziale Basis der Partei mobilisieren: "Auf unsere Fähigkeit und Entschlossenheit kommt es an - und wir vertrauen voll auf die Unterstützung durch die Mobilisierung der Arbeitnehmer und Gewerkschaften gegen die Krisenabwälzungspoli
Riesige Illusionen
In der Erklärung verbinden sich berechtigter Protest gegen eine arbeitnehmerfeindli
Bleibt einzig die Hoffnung, dass sich die Mitgliederbasis und die soziale Basis der Partei erheben und mit viel Druck eine Kurskorrektur und einen Führungswechsel erzwingen können. Diese Hoffnung der Rebellen fusst ebenfalls auf Fehleinschätzungen. Als Gerhard Schröder 2003 mit der Agenda 2010 und Hartz IV unmissverständlich klar machte, wie seine lockeren Sprüche zu Beginn der rot-grünen Regierungsjahre: "Mit mir ist eine Regierung gegen die Wirtschaft nicht zu machen." , und: "Es gibt kein Recht auf Faulheit." zu verstehen waren, gab es in der SPD nur wenig Opposition. Diese Minderheit trat größtenteils aus der Partei aus, ca. 50.000 Mitglieder verließen die SPD allein im Jahr 2004, ein kleiner Teil von ihnen gründete die WASG und arbeitet heute in der Partei DIE LINKE. Nicht nur, dass dies die Möglichkeiten heute eine Mehrheit für eine Kurskorrektur und einen Führungswechsel zu erringen zusätzlich schmälert, auch für die Schwäche der innerparteilichen Opposition gegen die Agenda-Politk Schröders gab es Gründe, die über die Strukturanalyse der Partei hinaus gehen.
Mitgliederbasis und soziale Basis der SPD haben sich seit den 1970er Jahren sehr verändert. Anfang der siebziger Jahre waren der Partei viele junge Menschen mit hohen Bildungsabschlü
Erst als nun mit den Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise absehbar ist, dass die Politik von Agenda 2010 und Hartz IV mit Massenentlassungen Millionen einholen wird, die sich bislang ihrer Arbeitsplätze und ihres Lebensstandards relativ sicher waren, beginnt ein Umdenken bei einem weiteren Teil der SPD-Basis. Immer noch aber wenden die UnterzeichnerInnen der Etklärung sich nur an die Arbeitnehmer, also die Beschäftigten und nicht auch an das Prekariat und die Erwerbslosen. Folgerichtig fordern sie ein Verbot von Entlassungen, nicht aber die Abschaffung von Hartz IV. Der politische Kurswechsel wird ihnen bezeichnenderweise genau in dem Moment wichtig, da die "Reform" sie als bisher Mitverantwortliche ebenfalls zu fressen droht. Dies weist darauf hin, dass sie seinerzeit wie heute SPD-Politik nicht für alle Lohnabhängigen, sondern nur für die Beschäftigten entwickeln. Der vermeintliche Bruch mit der nur der Führung angelasteten SPD-Politik der vergangenen Jahre ist somit nur ein Riss an der Oberfläche.
Die Vorstellung, dass um ihre Arbeitsplätze kämpfende Belegschaften die SPD-Spitze nach der Bundestagswahl zu einem Rückzug veranlassen könnten, ist wenig belastbar. Die UnterzeichnerInnen der Erklärung wissen selbst, dass in der kommenden Bundestagsfraktion die bisherige Führung und ihr Anhang auf weitere vier Jahre unabhängig von der Parteibasis mit Mitarbeitern, Geld und Medienunterstü
Gleichzeitig müsste den UnterzeichnerInnen auch klar sein, dass nicht nur die SPD, sondern auch die von ihnen mit angerufenen Gewerkschaftsfü
Die Initiative der UnterzeichnerInnen kommt daher insgesamt zu spät und greift zu kurz um erfolgreich sein zu können. Sie leitet keinen Wandel der SPD, sondern nur ein Umdenken von Minderheiten in der Parteibasis ein und ist daher als Zeichen zunehmender Erosion der Partei zu werten.
Edith Bartelmus-Scholich, 22.9.09