Die Berliner haben die Wahl!!!

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Status quo beenden!
Berliner Volksentscheid zu den Wasserbetrieben am 13. Februar

Für die Berliner beginnt das Wahljahr 2011 mit der unmittelbaren Einstimmung auf den Volksentscheid zu den Wasserbetrieben. Vom 10. bis 22. Januar werden die Unterlagen an 2,4 Millionen Wahlberechtigte verschickt, die Abstimmung findet am 13. Februar statt. Es geht um ein klares Ja zur vollständigen Offenlegung der 1999 geheim abgeschlossenen Teilprivatisierungsverträge bei den Berliner Wasserbetrieben (BWB) - und zwar per Volksgesetz. Im Netzwerk um die Bürgerinitiative Wassertisch müssen alle, einschließlich der DKP Berlin, noch einmal alles gegen den Mainstream geben. Gegen die Vermarktung des wichtigsten Lebensmittels hatten sich schon in der vorangegangenen Volksbegehrensstufe 280 000 Verbraucher mit Unterstützungsunterschriften zur Wehr gesetzt und den Volksentscheid herbeigeführt. Diesmal gilt es, das schier Unmögliche zu schaffen: Für die direkte Annahme des Gesetzentwurfs sind mindestens 612 000 Ja-Stimmen erforderlich. Für den Gang zum Abstimmungslokal gibt es keine Alternative. Wer sich darauf verlässt, dass es vielleicht 35 bis 40 Prozent Wahlberechtigte auch ohne ihn schon richten werden, bedenkt nicht die Falle des undemokratischen Zustimmungsquorums von mindestens 25 Prozent all derer, die in Berlin wahlberechtigt sind. Selbst ein beispielhaft-fiktives Wahlresultat von 80 Prozent Ja- zu 20 Prozent Nein-Stimmen würde nicht rechtskräftig, wäre im Pro nicht gleichzeitig ein Viertel aller Wahlberechtigten erfasst.

Der SPD-/Partei "Die Linke"-Senat und die parlamentarische Mehrheit im Abgeordnetenhaus haben eine Übernahme des wesentlichen Gesetzestextes der Initiatoren und deren alternative Vorschläge für vorgesehene Rechtsfolgen brüsk abgelehnt. Die Wasserverträge von 1999 seien inzwischen "rechtssicher offengelegt", der Volksentscheid inhaltlich gegenstandslos. Da er aber nach der Landesverfassung nicht einfach gestrichen werden kann, ist die Entscheidungsgrundlage im Berliner Amtsblatt vom 17. 12. 2010 nachzulesen: "Alle bestehenden und künftigen Verträge, Beschlüsse und Nebenabreden im Zusammenhang mit der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe sind mit Ausnahme personenspezifischer Daten vorbehaltlos offen zu legen. Sie bedürfen einer eingehenden öffentlichen Prüfung und Aussprache unter Hinzuziehung von unabhängigen Sachverständigen und der Zustimmung des Abgeordnetenhauses von Berlin. Sie sind unwirksam, wenn sie nicht im Sinne des Gesetzes abgeschlossen und offen gelegt werden. Stimmen Sie diesem Gesetzentwurf zu? (Ja/Nein)".

Das auch von den Berliner Medien beanspruchte inhaltliche Hauptargument gegen den Volksentscheid bedient vorherrschende juristische Vorbehalte: Die Politik in Berlin gehe ja bereits mit der offiziellen Internet-Veröffentlichung der 1999-er Verträge auf der Grundlage des hiesigen Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) "weit über das hinaus, was im Volksentscheid zur Abstimmung steht". Das ist gelogen. Nur das Volksgesetz wird Gesetzesverstösse der privaten und öffentlichen Anteilseigner im Sinne der vollständigen Offenlegung der 1999-er Verträge in direkter Rechtsfolge ahnden. Die SPD-/Partei "Die Linke"-Koalition hat bei der bisherigen - und angeblich vollständigen - Dokumenten-Veröffentlichung in Absprache mit den Vertragspartnern gerade deswegen zum novellierten IFG gegriffen, weil sie Streit mit RWE und Veolia vermeiden möchte. Präventiv wird so bezweifelt, dass die Volksgesetzalternative mit sogenannten Unwirksamkeitsklauseln verfassungskonform sei.

Gleichzeitig suchen die zur Wahl im September wieder antretenden Koalitionspartner 280 000 Unterstützer des Volksbegehrens zu vereinnahmen, die sich auch gegen die exorbitante Wasserpreissteigerung um 35 Prozent seit 2004 wehren. Wirtschaftssenator und BWB-Aufsichtsratsvorsitzender Harald Wolf setzt kurzfristig auf die Entscheidung des Bundeskartellamts, das mit Berlin 45 Kommunen überprüft. Zudem verspricht er noch für Januar die Aufnahme von Verhandlungen mit dem verkaufswilligen BWB-Anteilseigner RWE: Kreditfinanziert, doch "nicht um jeden Preis" (RWE-Forderung: 850 Millionen Euro) wollen er und Bürgermeister Wowereit 24,95 Anteile zurückkaufen und so mittelfristig, mit städtisch gehaltenen drei Vierteln bei den BWB, dem sogenannten Rekommunalisierungsziel zusammengefasster Versorgungsbetriebe ein Stück näher kommen. Beide Landesparteitage haben kürzlich dafür votiert.

Rekommunalisieren ja - aber kostengünstig!

Das Unterstützer-Netzwerk entlarvt diesen volkswirtschaftlichen Unsinn zum Schaden der öffentlichen Daseinsvorsorge. Statt Profitstrategien ganz abzuschaffen, bedient er sie nämlich weiter. Das Netzwerk wirbt für das Ziel einer kostengünstigen BWB-Rekommunalisierung. Im Klartext kann es doch so benannt werden: Nach Ablauf von elf Betriebsjahren auf Basis des auf mindestens 30 Jahre ausgelegten Teilprivatisierungsvertrags steigt RWE mit einer Kaufpreis-Rückerstattung 1:1 aus dem (bislang geheimgehaltenen) Vertragsgeschäft einer Gewinnerwirtschaftung auf kommunal beibehaltener Anlagenbasis aus - eventuell 650 Millionen Euro sind bisher an private RWE-Aktionäre geflossen, noch einmal so viel an die von Veolia. Bezahlt haben dieses Spiel mit Extra-Profiten, an der Verfassung vorbei, die Berliner über die Wasserpreise. Aber dieser "vertragstreue" Senat, der sich seit sechs Jahren verschwiegen an der Schröpfung seiner Bürger beteiligt und das mit öffentlicher Umverteilung entschuldigt, wird vom RWE-Konzern nichts zurückfordern. Der verbleibende kalt lächelnde Globalplayer Veolia hat mit dem Weiterbetrieb des geldscheffelnden Schöpfwerks bis mindestens 2028 keine Sorgen. Nachverhandlungen in Details werden auch künftig nichts Wesentliches am 99-er Konstrukt aus dem Hause Diepgen/Fugmann-Heesing ändern.

Für die Geprellten ist auch der derzeitige Senat kein guter Ratgeber. Das hat zuletzt sein Scheitern vor dem Berliner Verfassungsgerichtshof gezeigt. 2008 versuchte er vergeblich, das Volksbegehren zu verhindern und das Transparenzverlangen der Bürger als unrechtmäßig darzustellen. Die Berliner, durch geheimgehaltene PPP-Verträge (Public Private Partnerchip) lange Zeit blind gemacht, können sich aber nur dann wirksam gegen die Lobbyisten und ihre Helfer in der Politik wehren, wenn unser Volksgesetz dazu zwingt, alles auf den Tisch zu legen. Nach dem IFG bleibt die willkürliche Offenlegensstrategie des mit den Vertragspartnern verbandelten Senats folgenlos: Er ist Mitspieler bei der ungleichen Gewinnaufteilung und deren befangener Kontrolleur in einem. Nach dem Volksgesetz können zurückgehaltene Vertragsteile für nichtig erklärt werden. Bisher unbekannt ist z. B. die vertragliche Regelung ungleicher Gewinnaufteilung zu Lasten der Kommune oder, wer zugunsten privater Rücklagenbildungen einen willkürlichen Vor-Steuer-Abzug von 60 Prozent festgesetzt hat. In einem zweiten Schritt könnte die verlustausgleichende Rückabwicklung folgen. Sie muss dem Souverän und einer wahrhaft transparenten öffentlichen Daseinsvorsorge zugute kommen. Mit Qualitätssiegel. Ohne neue Schulden. Warum sollten sich selbstbewusste Bürger für den Schutz privater Geldquellen weiterhin Sand in die Augen streuen und sich einreden lassen, nur dies sei verfassungstreu? Wenn jetzt wie behauptet alles veröffentlicht ist, dann greift doch die Klausel der Unwirksamkeit auch nicht. Wir haben es im Wahljahr in der Hand, das dubiose Spiel um scheibchenweise Zugeständnisse zu beenden. Rien ne va plus.

Hilmar Franz

Veröffentlicht in Volksbegehren

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