lauter niemand preis...

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Zuerst das Positive: Nicht nur, dass es einen "lauter niemand preis für politische lyrik" nunmehr gibt, es haben auch bei dieser ersten Runde schon 691 Autoren Beiträge eingesendet - nach Aussage von Stifter und Juroren nicht nur "lauter Niemands". Und unter denen, die am Mittwoch zur Preisverleihung den Saal füllten war ich endlich eindeutig in der älteren Hälfte.
Die Auswahl der Preisträger bzw. der in dem "Reader" vertretenen Texte lässt allerdings nichts allzu Gutes ahnen.
Nun ist natürlich eine Frage, welchen Geschmack vertreten die Juroren bzw. wlche Kriterien legen sie wie an - bei eine dreiköpfige Jury eine schon etwas einengende Frage. Es schien ihnen in erster Linie auf einen kreativen Umgang mit der Sprache anzukommen.
Das hat Folgen. So bedeutete es auf dem Sektor tatsächlicher politischer Sprache, für "Krieg" einen möglichst "kreativen" Ausdruck zu finden - also einen, der noch "unverbraucht" und möglichst nicht (be)wertend ist.

"...Sie öffnete den Mund in meine
Richtung. empfindsam und verstört.
Hochspannungskörper, nikotinsatte

Luft. Die Geheimnisnummer, das
Konkubinat, nichts stimmte, die Uhr
zeit nicht und nicht die Atmospur."

So klingt eines der Gedichte, geschrieben wie im Original, das der Zweitplatzierte eingereicht hatte.

Was ist politisch???
Diese Frage ist schon eine Frage für sich.
Wenn allerdings ein Preisstifter moniert, "Wir leben sogar in einer einzigartig glücklichen Periode, denn Deutschland ist seit 20 Jahren zum ersten Mal in seiner Geschichte nur noch von Freunden umgeben... Und doch ist ist unter den eingereichten Gedichten kein Dutzend, dass sich an den Erfolgen unseres Landes, Europas wenigstens halbwegs erfreut. Schon gar nicht am wissenschaftlich-technischen Fortschritt, obwohl er uns einen nie gekannten Lebenskomfort beschert hat. Es herrscht eindeutig das Hadern... Pessimismus, Zweifel, ja Verzweiflung...vor", dann ist das Unterfangen schon mit seiner Geburt fast tot.
Umso zufriedener kann man da wenigstens über den Sieger sein, da bei HEL wenigstens klar durchschimmert, wem seine Sympathien gehören, dass der "nie gekannte Lebenskomfort" wohl uneingeschränkt nur für Leute vom Schlage eines Brüsseler Bürokraten, abgeschottet auf Kosten einer unsichtbaren fremden Masse abgehoben zutrifft.

Abgehoben... Das war leider meist das Wort, das die Beiträge unter einem Sammelbegriff zu fassen vermochte. Deutlich war das Bemühen der ausgewählten Autoren, keine "politische" Lyrik, sondern lyrische Pollyrik zu schreiben, für die, die so etwas verstehen.
 Der Stifter jörn sack beruft sich auf Traditionen von Heine, Brecht und Tucholsky. Ich fürchte, die verstorbenerweise als nicht vereidbare Beispielzeugen Zitierten hätten diese "Berufung" entschieden zurückgewiesen. Eher hätte es Gottfried Benn, sofern ihm ein Gedicht an niemanden gerichtet ist sich mit dem Ergebnis identifizieren können. Aber der hätte nun wieder den Hauptpreisträger nicht akzeptiert. Vielleicht hat der es nur geschafft wegen seiner Zeilen: "...Wir wissen nichts / vom stoff des lichts / Wir sind in nacht geschlagen.", die den Autor scheinbar vom Verdacht der Marxismus-Nähe frei sprach (Ätsch: Irren ist menschlich!) erhalten.

Ein Preis für politisch kreative Lyrik steht weiter aus...

Veröffentlicht in politische Literatur

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