Zur BGE-Debatte (2)

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... Neu wäre nur, dass z.B. eine „normale Hausfrau“ für ihre Tätigkeit … nein, eben nicht: Um die Höhe der Bezahlung zu bezahlender Arbeitskraft bliebe „Klassenkampf“ bestehen. Der Rest wäre ja unabhängig von einer Leistung. Das scheint gut, ist aber nur eine Umschichtung von Geldmassen. Praktisch wäre eine drastische Geldentwertung die Folge. Die Höhe des gewährten BGE müsste wahrscheinlich mindestens jährlich neu angepasst werden, weil die neue geschaffene Nachfrage einfach zu verführerisch ist, neue „marktgerechte“ Preise zu verlangen. Dieser Trend wäre natürlich umso stärker, je stärker die Refinanzierung der Regelung über Umsatzsteuer erfolgte. Dass auf solche Weise eine Entwertung von Arbeitseinkommen erfolgte, muss nicht näher erläutert werden, oder?

Nach einem anfänglichen Aufatmen der besonders Gedemütigten entpuppte sich die sich herausschälende Gesellschaft als – so unglaublich das heute scheinen mag – objektiv noch weiter entsolidarisierte Individual-Lebensform als sie je war. Denn die Leckerli der perversen Barmherzigkeit wären ja nun weggefallen. Die sauer erkämpften vielen Bürokratischen Hilfskonstrukte sind ja ersetzt worden durch das eine BGE. Wer gehört dann zu den Letzten, den die „Hunde beißen“?

Regelungen gesetzestechnischer Art drücken letztlich gesellschaftliche Kräfteverhältnisse aus. In Deutschland gibt es zur Zeit keine Kraft, die revolutionäre Veränderungen anstoßen könnte. Es kann dann bei praktischen Ansätzen, ein BGE einzuführen, nur eine Vergewaltigung aller positiven Ausgangsüberlegungen erwartet werden. Es gibt ja nichts, was nicht „verdreht“ werden könnte. Und ist es nicht für einen unternehmensfreundlichen Staat verführerisch, die Prüfung von Fällen einzusparen, bei denen echte Notsituationen behoben werden müssten? Es entfiele ja beispielsweise die Notwendigkeit von Bafög komplett weg. Damit aber wäre für Arme ein privat zu bezahlendes Studium unmöglich. Oder Eine Arbeitsperspektive böte sich (nur) im fernen Ort. Es wäre niemand da, der Umzugshilfen geben könnte. Fälle gibt es genug, die zur Katastrophe werden, wenn es keine Ausnahmen gibt. Bei einem „kapitalistischen Staat“ bedeutete die Einführung eines BGE im Wesentlichen Individualisierung von Risiken.

Das BGE kann etwas sehr Positives sein, wenn es auf sozialistische Verhältnisse stößt. In dem Moment, in dem der Staat wirklich die Interessen aller Bürger in gleichem Maße zu vertreten versuchen muss, kann es eine Art Übergangsform zum Kommunismus sein. Immer mehr Menschen wird zugebilligt, dass man ihnen zutraut, unabhängig von einem materiellen Entgelt sich die für sie sinnvollste Tätigkeit auszusuchen.

Das ist aber auch da ferne Zukunft, weil die Gewohnheit, auf Zwang reagieren zu müssen, eine vorübergehende Antihaltung erzeugt, wenn der Zwang wegfällt. Es ist dabei schwer abzuschätzen, wie lange der Übergang dauert, aber es ist ein Problem mit akuten Folgen. Wer also nur unter Druck arbeiten gegangen ist, weil er nur so leben konnte, neigt also bei Wegfall des Drucks erst einmal zum großen Urlaubmachen. Die meisten Menschen kämen wieder zur Vernunft … aber wer will so lange warten? Der Privatkrauter kann es gar nicht. Der lebt ja davon, dass ihm Menschen ihre Arbeitskraft verkaufen und mehr schaffen, als sie wert sind. Er muss sich etwas zum Selbsterhalt ausdenken. Der Sozialismus im Übergang erlebte eine lebensbedrohliche Krankheit, die die Überlegenheit des Kapitalismus zu begründen schiene.

Als aktuelles linkes Konzept erscheint mir das BGE ungeeignet.  

Veröffentlicht in Kapitalismus-Sozialismus

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