es ist das Ehrenhafteste, das ich in meinem ganzen Leben getan habe! ... eine gute Sache .....: Ich habe mich der Armee widersetzt.
Gespräch mit Clifton Hicks und Chris Capps. Über ihren freiwilligen Militäreinsatz im Irak und was US-Soldaten schließlich zu Kriegsgegnern macht
Von Rüdiger Göbel und Jan Schapira Kurze Pause vom Krieg: Soldaten des 31. Infanterie-Regiments der US-Armee südlich von Bagdad nach vergeblicher Suche vermißter Kameraden (17. Mai 2007) Foto: AP |
Clifton Hicks und Chris Capps, Sie waren beide um die 20 Jahre alt, als Sie in den Irak-Krieg zogen. Was hat Sie bewogen, freiwillig zur US-Armee zu gehen?
Abgesehen davon wollte ich aber den Krieg erfahren, Gefechte erleben. Ich wollte Panzer fahren und kämpfen. Ich war erst 17, als ich mich bei der Armee meldete. Meine Mutter mußte mich einschreiben, weil ich noch nicht volljährig war. Mein Training war dann ein Crash-Kurs. Ich hatte vier Monate Grundausbildung und einen Monat Urlaub. Dann wurde ich nach Deutschland verlegt, zwei Wochen später war ich mit meiner Einheit in Bagdad. Das war im April 2003.
Rückblickend muß ich sagen: Ich war ein Idiot, ein richtiges Arschloch. Ich war sehr rechts und nationalistisch eingestellt. Ich glaubte daran, daß Amerika immer Recht hat und unbesiegbar ist. Ich wollte gegen Al-Qaida kämpfen, alle umbringen, die die Flugzeuge in die Türme des World Trade Center gelenkt hatten. Ich dachte nicht wirklich darüber nach, was ich tat, als ich in den Irak-Krieg ziehen wollte. Alle in meiner Familie flehten mich an, das nicht zu machen, inklusive derjenigen, die selbst bei der Armee waren. Aber ich ging trotzdem.
Chris Capps: Ich meldete mich freiwillig, um später aufs College gehen zu können. Ich war damals 20 Jahre alt und habe Pizza ausgetragen, um über die Runden zu kommen. Ich wollte nicht für den Rest meines Lebens in meiner winzigen Heimatstadt Hackettstown in New Jersey bleiben. Die Armee schien mir der einzige Ausweg zu sein. Im Frühjahr 2004 ging ich zunächst zur Reserve. Ich wußte, daß sich mein Land im Krieg befand, habe das aber einfach ignoriert. Ich dachte nur daran, wie ich aus dem Kaff, in dem ich bisher lebte, rauskomme. Schließlich fragte ich nach, ob ich auch im Ausland eingesetzt werden könne. Dafür gab's mehr Sold, und ich wollte die Welt sehen. Weil die Armee für Südkorea niemanden brauchte, ließ ich mich nach Deutschland verlegen. Kaum war ich da, wurde meine Einheit in den Irak geschickt. Dort war ich vom November 2005 bis Ende September 2006.
Wie haben Sie Ihre Ankunft im Kriegsgebiet in Erinnerung?
Clifton Hicks, wie fühlt es sich an, gerade mal volljährig mit einem riesigen Panzer durch die irakische Hauptstadt zu fahren?
Wann dachten Sie das erste Mal, verdammt, hier läuft einiges falsch?
Was mich schockierte, war nicht der Vorfall an sich, denn es war offensichtlich, daß es ein Fehler und Versehen war. Mich schockierte vielmehr, wie damit umgegangen wurde. Wir riefen unsere Vorgesetzten an und sagten: »Wir haben einen Zivilisten getötet, zwei weitere sind verletzt. Wir haben erste Hilfe geleistet. Was sollen wir tun?« Die Antwort: »Alles okay, setzt eure Mission fort.« Das war alles.
Wir wußten noch nicht einmal, was »Entschuldigung« auf Arabisch heißt, also gingen wir einfach. Danach fragte ich mich das erste Mal, was es eigentlich heißt, die Iraker zu befreien und das Land wieder aufzubauen. Ich war mir sicher, die Männer von dieser Hochzeit werden heute Nacht nach Hause gehen, zu den Waffen greifen und uns bekämpfen.
Capps: Zum Glück mußte ich solche Dinge nicht erleben. Ich baute in Camp Victory als Funktechniker vor allem die permanente Infrastruktur mit auf. Eines Tages wurden wir von einem Außenposten in unserer Nähe gerufen, um das Kommunikationssystem zu reparieren. Bei der Arbeit merkte ich, daß ich das Glasfaserkabel für die Telefon- und Internetverbindung zwischem dem Hauptquartier in Camp Victory und Abu Ghraib austauschte. Ich hatte zuvor nie darüber nachgedacht, was ich im Irak eigentlich mache. Jetzt begann ich, mir Gedanken zu machen, für was die Infrastruktur eigentlich gebraucht wird. Die Bilder aus Abu Ghraib waren um die Welt gegangen und auch mir bekannt. Jeder wußte, was dort passiert.
Wie würden Sie das Verhalten der US-Truppen gegenüber der irakischen Bevölkerung beschreiben?
Hicks: Oft haben wir Männer als feindliche Kombattanten verhaftet, weil wir die eigentlich Gesuchten nicht finden konnten. Wenn wir auf Mission geschickt wurden, mußten wir immer mit einem Gefangenen zurückkommen. Wir warteten, bis wir einen Iraker im kampffähigen Alter fanden, Wenn er gefährlich aussah, fesselten wir ihn und warfen ihn auf den Truck. Solche Leute kamen schließlich nach Abu Ghraib. Sie haben nichts getan. Ihr einziges Verbrechen war, im Irak geboren worden zu sein.
Ein einziges Mal habe ich gesehen, daß ein irakischer Kämpfer verhaftet wurde. Er hatte Bomben bei sich und wollte ein paar von uns in die Luft jagen. Ich wollte ihn sehen, weil ich den Feind vorher nie wirklich gesehen hatte. Ich klopfte also gegen die Tür des Gefangenentransporters und sie wurde geöffnet. Ich sah den Gefangenen niedergedrückt auf einer Bank, er hatte Blutergüsse. Ich sagte ihm, du gehst nach Abu Ghraib, wir werden dich dort umbringen. Es war ein Psychospiel, so was passierte jeden Tag.
Einmal war ich dabei, als ein Typ versehentlich von einem Panzer überfahren wurde. Die Soldaten fuhren einfach weiter. Sie wollten damit nichts zu tun haben. Also mußte sich meine Einheit mit der Sache befassen. Für den Tod von Zivilisten wird niemand verantwortlich gemacht.
Wann haben Sie sich entschieden, der US-Armee den Rücken zu kehren?
Meine Einheit wurde tatsächlich verlegt, auf einen Stützpunkt in Kuwait. Von dort sollte es zurück nach Deutschland gehen. Das war im April 2004, der bis heute zweitblutigste Monat im Irak-Krieg. Wir hörten davon im Fernsehen und flachsten herum, daß wir gerade noch im richtigen Moment aus der Scheiße raus sind. Dann kam das Gerücht auf, wir sollten wieder zurückgeschickt werden. Schließlich wurde es offiziell.
Man muß sich das vorstellen: Wir waren raus aus dem Krieg, in Kuwait, überall waren Girls von der National Guard, die in ihrer Freizeit kurze Shorts und Tops mit Spagetti-Trägern tragen dürfen. Du konntest überall das Gras riechen, das geraucht wurde. Alle waren high, es gab überall Partys, Techno, Rock'n Roll, Western, R'n'B, für jeden etwas. Es gab ein riesiges Einkaufszentrum und Restaurants. Und dann sagen sie dir, du mußt zurück in den Irak. Das war der Moment, da meine ganze Einheit zusammenbrach. Wir wollten nicht zurück. Wir wußten alle, daß dieser Krieg Schwachsinn ist und wir hatten unseren Dienst abgeleistet. Seit dem Zweiten Weltkrieg war kein US-Soldat länger als zwölf Monate eingesetzt worden.
Dennoch mußten Sie in den Irak zurück.
Hier trainierten wir dann für eine Rückkehr in den Irak. Da realisierte ich, daß mich die Armee verbrauchen würde. Ich würde solange in den Irak zurück müssen, bis meine Dienstzeit vorbei oder ich tot wäre.
Wie kamen Sie schließlich aus der Armee raus?
Capps: Ich kam aus dem Irak zurück nach Deutschland und hörte, als nächstes geht's ab nach Afghanistan. Das war zuviel. Ich blieb der Truppe unerlaubt fern, bis ich schließlich entlassen wurde.
Hicks: Es ist nicht einfach, so eine Entscheidung zu treffen. Die Armee ist eine riesige Maschinerie. Ihr ganzes Ziel ist es, abgesehen davon, den Feind zu töten, die Seele ihrer Soldaten zu kontrollieren. Sich gegen die Armee zu wenden, ist eine große Sache. Alle, die im Irak sind, wissen, daß nichts stimmt, was die US-Regierung erzählt. Aber wenn du die Befehle nicht befolgst, gehst du ins Gefängnis. Und das ist noch die geringste Sorge. Wer unehrenhaft entlassen wird, findet in den USA keine Arbeit mehr. Doch das war mir am Ende alles egal. Ich konnte moralisch einfach nicht mehr weiter machen.
Wurden Sie von Ihren Familien unterstützt?
Sie sind nicht nur raus aus der US-Armee, sondern auch aktiv in der Organisation »Iraq Veterans Against the War«. Was treibt Sie zu diesem Engagement an?
Capps: Ich will Soldaten, die aus der Armee raus wollen wie wir, so gut helfen, wie ich kann. Sie brauchen alle Hilfe, die sie bekommen können. Wenn die Soldaten ohne Unterstützung und Erfahrung gegen die Armee agieren, landen sie im Militärgefängnis in Mannheim.
Wie ist die Stimmung in der US-Armee. Wie viele unzufriedene Soldaten gibt es wirklich?
Was kann ein Soldat im Irak gegen den Krieg tun?
Wir sabotierten nicht unsere eigenen Fahrzeuge, aber wir zeigten unseren Vorgesetzten, daß wir sie nicht unterstützen. Und sie wußten es ganz genau. Ich hatte am Ende mehr Respekt für die irakischen Soldaten und Widerstandskämpfer, die mich töten wollten, als für einige der Männer, die an meiner Seite standen. Den Irakern geht es um ihre Familien, um ihr Zuhause und die Souveränität ihres Landes. Die US-Soldaten dagegen werden dafür bezahlt, Krieg zu führen.
Erwarten Sie von den US-Präsidentschaftswahlen im November Auswirkungen auf den Irak-Krieg?
Hicks: Keiner von den Politikern sagt offen und ehrlich: Ja, wir werden die Truppen nach Hause bringen. Wenn ein Politiker aber nicht klar und deutlich Ja sagt, dann heißt das Nein. Ich persönlich habe keinerlei Vertrauen in die Kandidaten. Ob da ein Demokrat oder ein Republikaner, eine Frau oder ein Schwarzer Präsident wird, ist letztlich egal.