Schwerpunkt in "junge Welt": Ein Kongress in Managua über "Amerikas neue Sklaven"

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US-dominierter »Freihandel« hat im Süden des Kontinents verheerende Folgen. Ein Kongreß in Nicaragua zog Bilanz und diskutierte Gegenstrategien
Von Torge Löding (Voces Nuestras), Managua
 
  Von wegen »Es wird Frieden und Wohlstand in der ganzen Region (G
Von wegen »Es wird Frieden und Wohlstand in der ganzen Region (G. Bush): In einer Textilfabrik in Managua, August 2005
Die Verbrechen an Gewerkschaftern in Zentralamerika bekannt machen – das war das zentrale Ziel eines internationalen Forums zu »Sklaverei im 21. Jahrhundert«. Die Tagung mit mehr als 200 Aktivisten fand vergangene Woche in Nicaraguas Hauptstadt Managua statt. Aufgerufen hatte die »Kampagne gegen Flexibilisierung der Arbeit«, die in ganz Mittelamerika gegen die Auswirkungen des neoliberalen Handels mobilisiert. Nach Managua waren Vertreter aus sechs Ländern und von fast 80 Organisationen gekommen.
Schwarze Listen
Besondere Beachtung fand die Situation von Frauen in den sogenannten Maquilas, Billiglohnfabriken, die mit Beginn des US-dominierten Freihandels in der gesamten Region aus dem Boden geschossen sind. Zwischen siebzig und achtzig Prozent der Belegschaft in diesen verarbeitenden Betrieben sind Frauen. »Die Unternehmer stellen sie lieber ein, weil sie weniger über ihre Rechte informiert und gefügiger sind und weil sie schon im Haushalt größere Verantwortung tragen«, sagt Maria Elena Sabillón vom Zentrum für Frauenrechte (CDM) aus der Industriemetropole San Pedro Sula in Honduras. Frauen beschwerten sich deswegen nicht so schnell über die Zustände in den Betrieben. Und die sind in Honduras katastrophal. Schuld daran sei auch die Regierung, von der soziale Rechte untergraben würden, so Sabillón. Zwei von drei Verträgen sollen nach einem neuen Beschäftigungsprogramm in dem mittelamerikanischen Land künftig für Zeitarbeitsstellen abgeschlossen werden. In einigen ärmeren Gegenden soll der ohnehin schon niedrige Durchschnittslohn zudem von sechs US-Dollar am Tag auf 4,50 Dollar abgesenkt werden. »Damit kann sich eine Beschäftigte in einer Maquila kaum noch ein Dach über dem Kopf leisten.«

Gäste aus Nicaragua, Honduras und Costa Rica berichteten auf dem Kongreß von schwarzen Listen, auf denen Unternehmer kritische oder gewerkschaftlich organisierte Mitarbeiter notieren. Wessen Name einmal erfaßt ist, der braucht sich um keine Neueinstellung mehr zu bewerben.

Tiefen Eindruck hinterließen die Berichte der Delegationen aus Guatemala und Panama über Morde in den vergangenen Monaten. »Panama erlebt einen Bauboom wie selten zuvor. Da ist transnationalen Baukonzernen wie Oderbrecht unsere kämpferische Bauarbeitergewerkschaft SUNTRACS ein Dorn im Auge«, erklärte deren Vertreter Raymundo Garcés. Die Konzerne und »die mit ihnen verbündete korrupte Regierung von Präsident Martín Torrijos« schreckten vor nichts zurück. Ende vergangenen Jahres seien in Panama die Gewerkschafter Osvaldo Lorenzo und Luiyi Argüelles ermordet worden, im Februar dann sei ein weiterer Kollege, Iromy Smith, von einem Polizisten hinterrücks erschossen worden. »Massenproteste daraufhin wurden von der Polizei blutig niedergeschlagen«, sagte Garcés. Ein Ergebnis dieser Repression sei aber auch »Wut und ein gestiegenes Klassenbewußtsein«, ergänzte Julio Cesar Camaño Adames, der sich in Panama als Rapper »El Emperador« mit politischen Texten einen Namen gemacht hat.
Profiteure
Die Besucher des Kongresses »Sklaverei im 21. Jahrhundert« beschäftigten sich aber auch mit politischen und ökonomischen Alternativen zum Neoliberalismus. Luis Barbosa, Vorsitzender des nicaraguanischen Gewerkschaftsverbandes CST-JBE, hob den Staatenbund »Bolivarische Alternative für Amerika« (ALBA), der von Venezuela und Kuba ins Leben gerufen wurde, positiv hervor. Miguel Ruiz, Generalsekretär dieser Gewerkschaft, forderte indes einen Stop der Verhandlungen mit der EU über ein Assoziierungsabkommen: »Jeder Prozeß hat Gewinner und Verlierer. Bei den jetzigen Inhalten wären nur die europäischen Großkonzerne die Profiteure«, sagte er. Die angebliche Integration der Zivilgesellschaft in den Verhandlungsprozeß bezeichnete Ruiz schlicht als »Lüge«. Gemeinsam wollen die Mitglieder der »Kampagne gegen Flexibilisierung der Arbeit« deswegen nun Proteste gegen die kommende Verhandlungsrunde zwischen EU und Zentralamerika in El Salvador organisieren.


* Weitere Informationen im Internet: laboralred.net

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