Ich bin als Preuße ungeeignet

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Es ist ja nur eine Randnotiz. Es war nur eine Situation, wieder einmal. Hinter mir: Die Anti-Nazi-Demo in Potsdam (und irgendwo dauch die Nazis, aber die haben wenig Potsdam gesehen), vor mir der Hauptbahnhof. Meine Absich klar: S-Bahn fahren heimwärts. Mein Vergehen: Ein schwarzes T-Shirt mit Che, ein Rucksack und ... na gut ... ein unbürgerlicher Haarschnitt.

Vor dem Eingang die Vertreter der Staatsgewalt, die einige weichgespühlt wirkende Bürger passieren ließen. Mich hielt einer an. Ohne sich vorzustellen, einzig kraft seiner Uniform, fragte mich einer dieser witzigen deutschen Versionen der Football-Pinguine in schwarz, wohin ich denn wolle. Was sollte ich tun? Ihm erklären, dass wenn ich einen mir fremden Menschen anhielte, mich zuerst (für die Belästigung) entschuldigte? Da er offensichtlich die Verkörperung einer Belästigung war, kam dies nicht infrage. Ich erklärte ihm also, dass ich glaubte, an einem Bahnhof angekommen zu sein, wies ihn auf oben sichtbare Merkmale hin, die mich zu dieser Annahme veranlasst hatten, führte weiter aus, dass man meines Erachtens selbigen zum Benutzen von Zügen benutze, mit denen man an einen anderen Ort käme, was ich beabichtigte. Die ausgepolsterte Illusion von Kraft erdummte sich nicht zu der Entgegnung, das könne er ja nicht wissen. (Es war also wichtig, ihm das einmal gesagt zu haben.) Ich wurde zu einem weiteren Gewaltbereiten dirigiert, der mich persönlich zur S-Bahn begleitete ...

Verwirrend waren die Gefühle, die mich während der belanglosen Szene durchschüttelten.

Da war erst einmal die Verärgerung über die Selbstverständlichkeit des gewaltbereiten schwarzen Blocks, dass eine Uniform Zeichen genug sein müsse, unsinnigen Anordnungen Folge zu leisten.

Dann war da ein böser Schalk: Ich vermochte den / die Typen als Persönlichkeiten einfach nicht ernst zu nehmen.  Eben wie ich den Aufzug der Football-Spieler komisch finde, angemaßte Macht, die nichts mit Autorität, sondern nur mit Uniform und Knüppelrecht begründet ist, gefährlich, aber auch lachhaft ist.

Ja, ich empfand auch die Ohnmacht eines Andersartigen, z. B. "Farbigen", der seine Andersartigkeit wegen aus einer Gruppe heraus gegriffen wird, um sich seiner Existenz zu einer Zeit am jeweiligen Ort demütigend rechtfertigen zu müssen.

Und nicht "zum Schluss": Ich spürte, wie diese alberne Situation hätte eskalieren können.  Was geht Pinguin Albert an, wo ich hin will, solange ich nicht gerade mit ner Maschinenpistole auf eine Bank zuschreite? Ich bin ein sehr zurückhaltend moderat mit anderen umgehender Typ. Ein Choleriker ist mit einer solchen "Begrüßung" / Verabschiedung leicht zu Bewegungen zu veranlassen, die sich dann so herrichten lassen, dass er a) niedergeknüppelt wird und b) dafür wegen Widerstands gegen diese Dingsbumse auch noch belangt werden kann.

(Wirklich zum Schluss: Ich bedauerte die Typen. Sie können einem doch leid tun - leider auch Leid tun - weil sie nichts Anständiges gelernt haben und deshalb mit Gorilla-Gesten Respekt einfordern müssen.)

Mir fehlt einfach die nötige (?) Anbetungsbereitschaft gegenüber Machtsymbolen. So ein richtig preußischer Deutscher geht eben nicht zu einem Generalstreik, wenn er dazu kein ausreichend oft abgestempeltes, staatlich gesiegeltes Erlaubnisdokument in Händen hält. Alles, was stramm marschiert, widert mich zutiefst an. Dem Durchschnittsbürger scheinen alle Vertreter des "Staates" die Hände an die Hosennaht zu treiben ...

Übrigens: Die Antifaschisten, die zahlreich da waren, machten einen sehr entspannten Eindruck ... Bei Weg-frei-"Maßnahmen" der gewaltbereiten "Ordnungshüter" war ich nicht zugegen. Vielleicht bin ich nur ... ein Feigling ...

Veröffentlicht in Gewalt Frieden

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