Kritik der Kritik (2)

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Und zu berücksichtigen ist außerdem, das die sogenannten „ökonomischen Gesetze keine ewigen Naturgesetze, sondern historische, entstehende und verschwindende Gesetze“ sind. „Für uns ist daher auch keins der Gesetze, soweit es rein bürgerliche Verhältnisse ausdrückt, älter als die moderne bürgerliche Gesellschaft; diejenigen, die mehr oder weniger für alle bisherige Geschichte Gültigkeit hatten, drücken eben nur solche Verhältnisse aus, die allen auf Klassenherrschaft und Klassenausbeutung beruhenden Gesellschaftszuständen gemeinsam sind.“ (Engels an F. A. Lange, MEW Bd. 31, S. 466)

Resümee: Die Wahrheit ist immer historisch konkret. Das einzig Stabile ist die Veränderung.

Die Gesetzmäßigkeiten der gesellschaftlichen Entwicklung entfalten ihre Wirksamkeit unter den jeweiligen konkreten historischen Bedingungen. Die wichtigsten dabei sind die ökonomischen, das Kräfteverhältnis zwischen den Klassen, die Existenz einer marxistischen Partei und ihr Masseneinfluss sowie die spezifische nationale Entwicklung und die weltweite Klassenkampfsituation. Ohne Berücksichtigung dieses Wirkungszusammenhangs (und weiterer Faktoren – siehe nachstehend) bleibt jede Gesellschaftsanalyse Stückwerk und kann sogar fehlerhaft sein. Erinnert sei an die Erkenntnis: „Daher stellt sich die Menschheit immer nur Aufgaben, die sie lösen kann, denn genauer betrachtet wird sich stets finden, das die Aufgabe selbst nur entspringt, wo die materiellen Bedingungen ihrer Losung schon vorhanden oder wenigstens im Prozess ihres Werdens begriffen sind.“ (Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie/Vorwort, MEW Bd. 13, S. 99)

Der Aufbau des Sozialismus/Kommunismus ist der erste geschichtliche Zeitraum, in dem die Menschen in immer umfassenderem Maße ihre Geschichte bewusst auf der Grundlage der Gesetzmäßigkeiten ihres eigenen Tuns gestalten. Dabei gilt:

Wir behaupten nicht, das Marx oder die Marxisten den Weg zum Sozialismus in all seinen Einzelheiten kennen. Das wäre Unsinn. Wir kennen die Richtung dieses Weges, wir wissen, welche Klassenkräfte auf diesem Wege führend sind, doch konkret, praktisch wird das nur die Erfahrung der Millionen zeigen, sobald sie die Sache in Angriff nehmen.“ (Lenin, LW Bd. 25, S. 289) Die Erfahrungen der Millionen gründlich zu analysieren, die revolutionären Entwicklungstendenzen und Fehlentwicklungen wissenschaftlich zu analysieren und in politische Strategien umzusetzen ist die Grundaufgabe einer marxistischen Partei. Es ist leicht, diese Aufgabe zu formulieren, aber schwer, sie umzusetzen. Sie stellt hohe Anforderungen an das theoretische Potential der Partei, die Verfügbarkeit von Informationen, die Streitkultur in der Partei und ihre organisatorische Festigkeit.

Schließlich ist das rechtzeitige Treffen von Entscheidungen und die Festlegung ihrer Rang- und Reihenfolge ein Prozess, der nachhaltig von den verfügbaren Informationen, den Führungspersönlichkeiten der Partei und der Dynamik der gesellschaftlichen Veränderungen abhängig ist.

Wenn es notwendig ist, auf qualifiziertem Niveau Fehler zu kritisieren, dann setzt das ein theoretisches, historisch begründetes Wissen über gesellschaftliche Entwicklungsprozesse voraus.

Selbstverständlich sollte sein, sich mit dem Wesen der Sache auseinanderzusetzen und nicht bei den Erscheinungsformen stehenzubleiben. Eine Menge Irrtümer lassen sich vermeiden, wenn man sich die Frage stellt: „Wem nutzt es?“

Der Zugang zu einer wissenschaftlichen Weltanschauung schließt den Klassenstandpunkt der Arbeiterklasse ein. Diskussionen darüber, wie sich die Dinge entwickelt hätten, wenn ... sind wenig fruchtbar. Sie sollten allerdings Anlass sein, sich selbst zu fragen, was man hätte besser machen können und wie man künftig aktiv werden will.

Prof. Dr. Wolfram Triller, Dresden in "Rotfuchs", November 2010

Veröffentlicht in politische Literatur

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