Sollen wir uns über die Abschaffung der Wehrpflicht in Deutschland freuen?

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Eines muss man den deutschen "Politikern" lassen: Sie arbeiten mit besonders fein umgesetzten Methoden des "Teile und herrsche". Wenn in unserem Land die "Rente mit 67" als astronomisches Rentensenkungsprogramm umgesetzt wird, dann derart gestreckt, dass eine ganze Generation sich daran aufhält, wie viele Monate jeder einzelne noch für sich retten kann, anstatt gemeinsam Widerstand zu leisten. Ähnlich gespalten erscheint die Bewertung der Bundeswehrreform: Anstatt über das gewachsene Bedrohungspotential der restlichen Welt gegenüber zu diskutieren, wird die Abschaffung der Wehrpflicht wahrgenommen. Und wieder übernimmt es die kleine "junge Welt", eine echte Hintergrundanalyse zu versuchen:

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Für Friedrich Engels war die 1814 gesetzlich eingeführte allgemeine Wehrpflicht »die einzige demokratische Institution, welche in Preußen, wenn auch nur auf dem Papier«, bestand.1 Knapp zweihundert Jahre später wollen die »von der Bourgeoisie geführten antinationalen, imperialistischen und militaristischen Kräfte«2 in der Bundesrepublik Deutschland die Wehrpflicht abschaffen. War diese allgemeine Wehrpflicht für Engels noch Ausdruck der »Herstellung der nationalen Einheit«3 in Deutschland, setzt die seit 1990 wieder über Gesamtdeutschland herrschende politische Elite auf einen Kanon tiefgreifender Reformen des Militärapparates, die ihn befähigen sollen, in einer veränderten Welt neue Aufgaben zu erfüllen.

Ende der Zurückhaltung

Der aktuelle Umbau der Bundeswehr wird in der öffentlichen Wahrnehmung vor allem an der zum 1.Juli 2011 in Kraft tretenden Aussetzung der Wehrpflicht festgemacht. Die im Kalten Krieg gepflegte Propaganda vom »Bürger in Uniform« findet damit ihr Ende. Der eigentliche Grund für die Abschaffung der Wehrpflicht wird jedoch kaum zur Kenntnis genommen: Die politische Führung schafft damit Strukturen für eine schlagkräftige Berufs- und Freiwilligenarmee, die nicht mehr mit Wankelmut und Widerspruchsgeist des »Menschenmaterials« der alten Wehrpflichtigenarmee zu kämpfen hat.

Die Bundeswehr wandelt sich von einer Armee zur Landesverteidigung – im Rahmen des NATO-Bündnisses und als Frontstaat im Kalten Krieg bis etwa 1989/90 – in eine Armee mit weltweiter Interventionsfähigkeit.

Die »Verteidigungspolitischen Richtlinien« (VPR) vom 26. November 1992, erlassen vom damaligen Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU), »stellen das erste offizielle Dokument dar, in dem mit der militärischen Zurückhaltung der Alt-BRD gebrochen wird«. So bewertete die Berliner Arbeitsstelle Frieden und Abrüstung e.V. den Erlaß und führte zu den VPR weiter aus: »Deutschland wird zu einer ›kontinentalen Mittelmacht mit weltweiten Interessen‹ erklärt. Angekündigt wird eine Kriegführung, um wirtschaftliche Interessen durchzusetzen. Alles, was möglicherweise negativen Einfluß auf die hiesige ›hochentwickelte Gesellschaft‹ haben könnte, erhält eine militärische Dimension.«4 Und so hieß es in den VPR denn auch im Klartext, daß »sich die deutsche Politik von vitalen Sicherheitsinteressen leiten« läßt, wenn es um die »Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt« geht.

Achtzehn Jahre später hielt der noch amtierende Verteidigungsminister Freiherr von und zu Guttenberg heroisch die Fahne der Interventionspolitik wieder hoch. Die FAZ meldete am 10. November 2010: »Die wirtschaftlichen Interessen Deutschlands müssen aus Sicht von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) auch militärisch abgesichert werden. Dies müsse ›offen und ohne Verklemmung‹ angesprochen werden, forderte der Minister bei der Berliner Sicherheitskonferenz.«

Mit der erneuten Präsenz deutscher Truppen auf der Weltbühne zeigte sich den Strategen in den militärisch-politischen Führungsstäben die Notwendigkeit einer Umstrukturierung der Bundeswehr. Die starre Aufteilung in die drei Teilstreitkräfte Heer, Marine und Luftwaffe hatte unter dem Einfluß des Verharrens im Ost-West-Konflikt zu großen Unterschieden in den Ausbildungsgängen und bei den Standardausrüstungen geführt. Außerdem herrschten eine jeweils darauf zugeschnittene Logistik und Nachschubversorgung sowie nicht immer kompatible Kommunikationsmittel und Softwareausstattungen vor. Hier zeigten sich erhebliche Bruchstellen bei der Planung und Durchführung von Kommandoeinsätzen, bei denen innerhalb kurzer Frist möglichst reibungslos Menschen und Material über Tausende Kilometer in andere Erdteile zu verlegen wären. Es reichte nicht, nur Schnelle Eingreiftruppen der Bundeswehr oder der NATO aufzustellen. Die Armee der Zukunft sollte in ihrer Gesamtheit beweglich und kurzfristig einsetzbar sein. ...

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Veröffentlicht in Gewalt Frieden

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