Gilt die Marxsche Dialektik von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen heute noch? (5)

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Hätte ich den jW-Artikel von Prof. Meißner in noch mehr gesonderte Abschnitte zerteilen sollen? Jeder Komplex ist für sich wichtig und die Kernfrage lässt sich ja provokativ übersetzen: Ist der Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus gesetzmäßig, und die Antwort, soweit sie ein Nein wäre, mit nein, ist er nicht. (Dieser Text wäre also als Antwort auf den ersten Abschnitt aufzufassen)
Aber ganz so einfach ist das auch wieder nicht:
 Vielleicht müssen wir die Frage der Dialektik von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen ganz anders angehen.
Meißner zitiert im Manifest richtig das Beispiel des notwendig gewordenen Übergangs vom Feudalismus zum Kapitalismus:"... entsprachen (...) die feudalen Eigentumsverhältnisse den schon entwickelten Produktivkräften nicht mehr. Sie hemmten die Produktion, statt sie zu fördern. (...) Sie mußten gesprengt werden, sie wurden gesprengt« (MEW 4, S. 467).
Das war zu dieser Zeit zweifelsfrei in erster Linie ein quantitativer Fall: Die neuen Maschinen schufen die Möglichkeit, eine bis dahin unvorstellbare Menge von Produkten herzustellen. Technisch ging das sofort. Aber es wurden eben "freie" Arbeitskräfte gebraucht.
Nun stelle man sich das heutzutage vor!!! In so gut wie keiner Richtung ist eine solche Entwicklung überhaupt wünschenswert (wenn man einmal von dem regionalen Massenhunger absieht, den der imperiale Kapitalismus aber kaum anrührt, weil diesen Hungernden die Zahlungskraft fehlt).
Fortschritte in immer neu konzipierter Unterhaltungsindustrie u.ä., Erneuerung um der Erneuerung, der Bedarfsproduktion wegen?! Immer neuere Waffen?! 
Wenn dies als Sinn der Gesamtarbeit verstande wird, genauer: so lange wie..., dann wird die Herrschaft der Weltbourgeoisie erhalten bleiben, der Widerspruch Pk-Pv keine sprengende Qualität erreichen.
Der Entwicklungsstand der Pk aber ermöglichte einen ganz anderen Qualitätssprung: Die Arbeitszeit könnte auf ein Bruchteil der jetzigen sinken und die Menschen könnten ihr Hauptaugenmerk auf die breite Entfaltung ihrer Persönlichkeit richten, eine Community der Lebenslust schaffen. Im umfassenden Sinne entzieht sich diese Art "Lust" (durch gebildete Sinne) der Profitwirtschaft, weil sie sich nicht pornographisch zu Ware machen lässt.
Aber damit entstehen sogleich die entscheidenden Fragen: Wann erreicht denn dieser Widerspruch zwischen Produktivkräften und Eigentumsverhältnissen seinen Höhepunkt, auf dem die Fesseln gesprengt werden müssen und können? Wann ist diese »gewisse Stufe« erreicht, auf der eine Epoche »sozialer Revolution« eintritt? Woran erkennt man die daraus folgende Möglichkeit und Notwendigkeit der sozialen Revolution?
In diesen Fragestellungen sind bereits Antworten enthalten, die ich so nicht uneingeschränkt gelten lassen möchte: Nämlich dass es EINEN Höhepunkt gibt, wo dann alles Revolution werden kann und muss.
Wer sagt uns, dass es nicht mehrere solche Punkte gibt?
Vergleichbar mit einem Krisenzyklus auf immer höherem Niveau? Oder als Punkte, in denen jeweils mehrere Faktoren zusammentreffen (müssen)?
Vielleicht war die Entstehung der vorimperialistischen Großproduktionsarbeiterklasse ein solcher Punkt, der 1870 durch die Kriegsereignisse in Frankreich einen relativen Höhepunkt erreicht hatte. Es folgte ein qualitatives Zurückziehen durch das mit dem Imperialismus erstmals massenweise Eindringen des Opportunismus in die Arbeiterklasse, was ja ein Ergebnis staatsmonopolistischer Möglichkeiten zum Systemerhalt war. Es folgten Pk-Vernichtungen durch die Weltkriege und die nächsten Lücken. Die vorerst letzte erkannte Lücke brach auf mit dem Zusammenbruch des Weltkolonialsystems. Nun ist der Neokolonialismus als etwas viel Effektiveres "gefunden worden".
Gehen wir davon aus, dass es für ALLE Neuerungen eine kapitalistische Interpretation gibt, so lange bis entweder schnell oder schleichend die Erde für Menschen nicht mehr bewohnbar ist oderder Kapitalismus beseitigt wird.

Veröffentlicht in Theorie

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