Heiraten kann tödlich sein

Veröffentlicht auf

Im ruhigen Deutschland mag man seine Scherze damit machen. In Afghanistan oder Irak sieht die Sache anders aus: Da ist so eine Veranstaltung in erster Linie eine Menschenansammlung, die man aus ausreichender Entfernung am Abzug schon gut für die Marschkolonne eines Terroreinsatzkommandos halten kann. Da hilft nur eins: Feuer frei! Da ist es schon gut, wenn deutsche Waffen dabei sind. Die sind präzise und sorgen gründlich dafür, dass zweifelhafte Völkerschaften sich nicht beängstigend vermehren.
Man kann auch sagen "So ist Krieg". Dann sollte man aber wenigstens sagen, "Raus da!" Wenn es nicht um Weltmacht ginge, bliebe doch die Frage, warum "wir" bei jedem Verbrechen dabei sein müssen...

Die Meldung (veröffentlicht in "junge Welt":)

Wie jetzt bestätigt wurde, hat die US-Luftwaffe im Osten Afghanistans eine Hochzeitsgesellschaft bombardiert und fast 50 Menschen getötet. »Wir haben herausgefunden, daß 47 Zivilisten, mehrheitlich Frauen und Kinder, bei dem Luftangriff getötet und daß neun weitere Menschen verletzt wurden«, zitierte die Nachrichtenagentur AFP am Freitag Burhanullah Schinwari, der die Untersuchungskommission zu dem Vorfall in der Provinz Nangarhar leitet. Den Behördenangaben zufolge hat es keinerlei Verbindung zwischen den Taliban oder Al-Qaida und den Opfern gegeben. Die US-geführten Besatzungstruppen hatten bestritten, bei dem Bombenangriff auf das Dorf Dorf Ka Chona am 6. Juli Zivilisten getötet zu haben. Sie behaupteten, bei den Opfern handle es sich um Aufständische.

Die britische Times zitierte Bezirksgouverneur Hajji Amishal Gul: »Der Angriff erfolgte um 6.30 Uhr morgens. Nur zwei der Toten sind Männer, die restlichen sind Frauen und Kinder. Die Braut ist unter den Toten.« AFP gibt Äußerungen von Überlebenden wieder, die ins Krankenhaus von Dschalalabad gebracht wurden: »Wir wurden bombardiert«, sagte ein Mann namens Kerate. »Ich wußte nicht, was geschehen war und wurde ohnmächtig. Als ich aufwachte, sah ich viele Verletzte und Tote.« Zum Zeitpunkt der US-Attacke habe eine Gruppe von etwa 70 Menschen, überwiegend Frauen, der örtlichen Tradition folgend die Braut zu ihrem Bräutigam geleitet. Zwei Tage vor dem Überfall auf die Hochzeitsgesellschaft waren bei einem US-Angriff in der afghanischen Provinz Nuristan 15 Zivilisten getötet worden, darunter zwei Ärzte und zwei Hebammen.

Wiederholt haben US-Truppen in den vergangenen Jahren in Afghanistan und im Irak Hochzeitsgesellschaften bombardiert und dabei zum Teil ganze Familien ausgelöscht. Am 1.Juli 2002 wurden in der afghanischen Provinz Urusgan 48 Zivilisten getötet und 117 verletzt. Am 19. Mai 2004 wurden beim Angriff amerikanischer Soldaten im Dorf Mogr Al Dib im Westen des Irak nahe der syrischen Grenze mehr als 40 Menschen ermordet. Fünf Monate später, am 8. Oktober 2004, wurden in Falludscha zwölf Iraker getötet und 16 weitere verletzt. In jedem dieser Fälle hat die US-Armee zunächst behauptet, Aufständische angegriffen zu haben, und bestritten, daß sich unter den Opfern Zivilisten befinden. In keinem der Fälle wurde das Agieren der Besatzungstruppen in den großen westlichen Medien als »Terror« bezeichnet.

Keine der im Bundestag vertretenen Parteien, die zur Zeit für die Ausweitung des Afghanistan-Mandats der Bundeswehr werben, legte am Freitag Wert darauf, auf die Meldung über das jüngste Massaker zu reagieren. Deutschland gehört mit 3500 Soldaten zu den größten Truppenstellern am Hindukusch. Zudem sind »Tornado«-Kampfjets der Bundeswehr im Einsatz. Die NATO-Zentrale in Brüssel hatte am Donnerstag mitgeteilt, sie prüfe auch den Einsatz von AWACS-Maschinen in Afghanistan (siehe auch jW vom 5./6. Juli). Mit ihrem Radar kann der Luftraum in einem Umkreis von bis zu 500 Kilometern überwacht werden – also auch der des Iran. Die Aufklärer der NATO sind im nordrhein-westfälischen Geilenkirchen bei Aachen stationiert, rund ein Drittel der 1600 Soldaten des Verbandes kommen von der Bundeswehr. Grünen-Wehrexperte Winfried Nachtwei erklärte in der Berliner Zeitung zu den NATO-Anforderuungen: »Man muß befürchten, daß wir Schritt für Schritt in eine Sache hineingeraten, deren Dimension wir nicht beurteilen können.«

Veröffentlicht in Gewalt Frieden

Um über die neuesten Artikel informiert zu werden, abonnieren:
Kommentiere diesen Post