Wer kennt den "Rotfuchs" noch nicht?

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Nachfolgend den Leitartikel der September-Ausgabe, der sich logischerweise mit der "Aktualität" jenes damaligen "Überfalls auf den Sender Gleiwitz" befasst, jenem Musterbild für den Grundsatz, dass wer Kriege führen WILL, sich notfalls auch den Anlass dafür schafft. Schön finde ich den Bezug zu "wir sind papst"-Entgeistigung.
Für die, die die Monatszeitschrift noch nicht kennen: Sie kostet nichts und enthält lesenswerte Berichte zur Gewinnung eines Weltblicks an Stelle der deutschen Brille - auch, wenn sie sich mit dem Untergang der DDR befasst...
 

Nur wenige Wochen vor jenem Tag, an dem Hindenburg den Hitler-Banden die politische Macht auslieferte – als „letztes Aufgebot“ der Weimarer Republik – wurde ich in Berlin geboren. So habe ich faschistischen und rassistischen Terror, angstvolle Nächte in Luftschutzkellern und von Bomben getroffenen Häusern, auch gefährliche Tieffliegerangriffe als Kind miterlebt.

Vor 70 Jahren, am 1. September 1939, begann das große Menschenabschlachten, das man

Krieg nennt, wie bereits 1914 mit einer Lüge: dem durch die SS ausgerichteten „Überfall auf den Reichssender Gleiwitz“. Ein Himmelfahrtskommando in polnische Uniformen gesteckter KZ-Häftlinge, das noch an Ort und Stelle von Himmlers Schergen niedergemäht wurde, bildete die grausige Komparserie für das in die Geschichte eingegangene Bubenstück.

Der „Affäre Gleiwitz“, die Hitler als Anlaß zum unverzüglichen Losschlagen gegen Polen hatte in Szene setzen lassen, waren bereits die Niederwerfung der Spanischen Republik durch deutsche und italienische Legionäre, der Nazi-Einmarsch in Österreich und die Annexion der Tschechoslowakei vorausgegangen. Alle drei Aggressionen wurden von der bürgerlichen

Geschichtsschreibung nicht zum Zweiten Weltkrieg gerechnet, obwohl sie dessen Bestandteile

bildeten. Stets dienten obskure Vorwände als Auslöser der Amokläufe Nazi-Deutschlands.

Gleiwitz“, mit dem die Hitlerfaschisten den größten Völkermord der Neuzeit einleiteten,

wurde 1946 vom Nürnberger Hauptkriegsverbrechertribunal als Anschlag auf das Völkerrecht

gebrandmarkt.

Dennoch ist dieses „Design“ bis auf den heutigen Tag in Mode. An Nachahmern fehlt es nicht.

Erinnert sei nur an den „Zwischenfall im Golf von Tonking“, der 1964 durch das Pentagon in

Auftrag gegeben und von der U.S. Navy ausgeführt wurde. Es handelte sich um die angebliche

Torpedoattacke von Küstenschutzbooten der DRV auf zwei in der Region operierende US-Zerstörer.

Der frei erfundene Zusammenprall war das Signal für erste massive Bombenschläge gegen

Küstenorte Nordvietnams.

Nicht anders verhielt es sich, als Washington Irak zu überfallen beschloß. US-Außenminister

Colin Powell präsentierte dem UN-Sicherheitsrat Satellitenfotos vermeintlicher Massenvernichtungswaffen Saddam Husseins. Der Schwindel flog unmittelbar nach Erteilung des Angriffsbefehls auf, und selbst Bush sah sich angesichts der erdrückenden Fälschungsbeweise schließlich zu einem halbherzigen Dementi gezwungen.

Und wie steht es mit der den Afghanen durch NATO-Staaten zuteil werdenden „Aufbauhilfe“?

Den Heuchlern geht es allein um strategische Interessen des nordatlantischen Kriegspaktes.

Nur deshalb ist die auf dem Petersberg bei Bonn zusammengestellte „afghanische Regierung“

unter „Präsident“ Karsai installiert worden.

Zum Reich weitgehend der Phantasie entstiegener Anlässe fürs Kriegführen unter NATOFlagge

zählt sicher auch die wackere Piratenjagd bundesdeutscher Fregatten in den durch westliche Fangflotten leergefischten Gewässern am Horn von Afrika.

Auf besonders faustdicken Lügen fußte die 1999 vom Schröder-Fischer-Kabinett an der Seite der

USA und unter dem Dach der NATO begonnene Aggression gegen Jugoslawien. Die Blutspur

imperialistischer Untaten reicht hier von den Massenerschießungen gefangener Kämpfer und ziviler Helfer der Partisanenarmee Titos durch die deutschen Faschisten über die Bombardierung

der Brücke von Varvarin durch die NATO unter Einschluß der BRD-Luftwaffe bis zum ungeklärten Ende Slobodan Milosevics in einer Haager Gefängniszelle.

All das dürfte den salbungsvollen Jubiläumsreden jener kaum zu entnehmen sein, welche nicht nur Korea, Vietnam, Jugoslawien, Irak und Afghanistan auf dem Gewissen haben.

Sie „gedenken“ jetzt mit Kreide in der Kehle, mehlbestäubten Pranken und Krokodilstränen

geheuchelter Pietät des „Kriegsausbruchs“ vor 70 Jahren. Gedämpfter Trommelschlag ist

angesagt, wie bei der feierlichen Bestattung der drei zuletzt in Afghanistan gefallenen Bundeswehrsoldaten aus dem ostdeutschen Rekrutierungsraum.

Er wolle das Wort „Krieg“ nicht in den Mund nehmen, sagte Merkels Kriegsminister Jung. Am Hindukusch lasse er nur „gezwungenermaßen“ mit Mörsern und aus Panzern auf Afghanen feuern. Vergebliche Tarnung!

Friedensheuchelei ist die Verhaltensnorm des Kriegskabinetts der vielfarbig bejackten Kanzlerin. Auch fromme Sprüche und heilige Eide, das Gegenteil dessen zu wollen, was man gerade tut, gehören dazu. So knüpft man fast lückenlos an andere „große Kapitel deutscher Geschichte“ an.

Wir sind wieder wer! verkünden die Großmäuler der alten und neuen Großmacht. „Wir sind Papst“,

multiplizierte das Massenverdummungsorgan „Bild“ sogar den Heiligen Vater. Um die Wette lügen ist unter Imperialisten inzwischen ein Volkssport. „Gleiwitz“ hat Schule gemacht.

Klaus Steiniger

Veröffentlicht in politische Literatur

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