Die letzten Tage mit der Tochter... (9)

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17. September
In München wurde Sina sofort gesagt, für wen, also dass man sich für sie nicht entschieden hat. Tja, am besten hätte sie mit der jugendlichen Frische ihrer fast 25 Jahre eine 30jährige Berufserfahrung mitbringen müssen und noch besser ein Mann sein.
Noch schildert sie mit Begeisterung ihre Beobachtungen: Was ihr in welcher Einrichtung an Methoden auffällt z. B. Sie hat sich mit der Schule in Verbindung gesetzt, um alte Praktikumsunterlagen zu bekommen. Im Kopf reifen erste eigene umfassende Behandlungskonzepte.
Mit zwiespältigen Gefühlen beobachte ich ihr Engagement: Was ist, wenn sie zu Weihnachten noch nichts gefunden hat? Was ist, wenn enge Regeln der Pflegeeinrichtung, in die sie wirklich gerät, schlicht verhindern, dass sie sich wunschgemäß um die "Klienten" kümmern kann? Wann kommt die Entzauberung der Berufswelt, in der "Es geht um den Menschen" auf Wahlplakate beschränkt bleibt?
Nun hat sie sich offiziell aus Berlin abgemeldet.
Den Vater wird sie noch gelegentlich besuchen. Ich werde nichts mehr ändern können.
Dieser Start ins Leben ist so entgegengesetzt zu meinem zu DDR-Zeiten. Ich weiß nicht, welche und ob sie überhaupt im engeren Sinn "politische" Schlüsse daraus zieht.
Wo wäre ich wohl gelandet, wäre meine Jugend schon zu DIESEM Deutschland verurteilt gewesen.
Aber sie hat Hoffnung: Ihr Antrag auf "Hartz IV" ist wohlwollend entgegengenommen worden. Immerhin darf sie einen eigenen Haushalt haben und steht nicht auf der Straße - Belohnung für durchgehend fleißiges, engagiertes Lernen, Abitur, alle Prüfungen bestanden, keine mit schlechten Ergebnissen...

Veröffentlicht in politische Literatur

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