Wer nicht gleich den "Imperialismus" als schuldiges System erkennen mag, ...

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... das beseitigt werden muss, um eine menschliche Zukunft der Menschheit gestalten zu können, sollte sich angesichts solchen Denkens zumindest angewidert abwenden und fragen, was er dagegen machen könnte:

 

 

Super Bilanz

NATO feiert den Libyen-Krieg als »erfolgreichste Mission«. Was zählen 60000 Tote – Hauptsache, Ghaddafi ist weg

Von Joachim Guilliard

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Erinnern wir uns: Die besagte UN-Resolution, die den Willigen die Tür zum Krieg einen Spalt weit öffnete, forderte einen Waffenstillstand, Verhandlungen über eine politische Lösung und den Schutz der Zivilbevölkerung. Geschehen ist jedoch genau das Gegenteil. Die NATO torpedierte alle Vermittlungsbemühungen, die Zahl der bisherigen Opfer des Krieges wird auf 60000 geschätzt. 60000 Libyer haben also den »Schutz« der NATO nicht überlebt.

Oder besteht der gefeierte Erfolg womöglich doch nur in der Liquidierung des unbequemen Gegenspielers Muammar Al-Ghaddafi? Dann sind natürlich Zehntausende Tote für die westliche Allianz zu vernachlässigen.

Die Ermordung des libyschen Revolutionsführers Ghaddafi ist exemplarisch für den ganzen Krieg und unterstreicht einmal mehr dessen verbrecherischen Charakter. Der Jubel westlicher Politiker und Medien über seinen Tod zeugt nicht nur von einem rapiden zivilisatorischen Verfall, sondern auch von der Unfähigkeit, aus früheren Untaten zu lernen. In Afghanistan und im Irak ging der Widerstand nach dem anfänglichen Triumph der Aggressoren erst richtig los. Die aktuellen Siegesfeiern dürften sich daher sehr schnell als genauso verfrüht erweisen wie George W. Bushs »Mission accomplished« im Mai 2003.

Zuverlässige Informationen über die Umstände von Ghaddafis Ermordung gibt es wie immer kaum. Doch wer genau ihn liquidierte, ist zweitrangig. Sicher scheint, daß französische Kampfjets und US-amerikanische Killerdrohnen seinen Konvoi zusammenbombten und damit die siebenmonatige Jagd der NATO auf das faktische Staatsoberhaupt eines einst souveränen Staates erfolgreich abschlossen. Ihre Bodentruppen, die libyschen Rebellenmilizen, mußten – wie immer – das Werk nur noch vollenden.

Die NATO sagte nach Mafiaart, sie habe nicht gewußt, wer alles im Konvoi ist und nur – als eine Art rabiate Verkehrspolizei – auf dessen hohe Geschwindigkeit reagiert. Der BND, der auch Anspruch auf einen Anteil am Erfolg anmeldet, steckte dem Spiegel jedoch, daß ihm der Unterschlupf Ghaddafis in Sirte »seit Wochen« bekannt gewesen sei. Das klingt nach Prahlerei, vermutlich hatten die deutschen Spione nur Hinweise darauf, daß er sich in einem Teil von Sirte befand. Plausibler sind die Meldungen, daß die NATO durch Erfassen von Funktelefonsignalen den ungefähren Aufenthaltsort ermitteln konnte. Als sich aus dem mutmaßlichen Stadtviertel Fahrzeuge in Bewegung setzten, wurden sie durch Kampfbomber und Drohnen gestoppt und größtenteils zerstört.

Mit ziemlicher Sicherheit waren dann auch schon Spezialeinheiten der NATO-Armeen zusammen mit Rebellenmilizen in der Nähe des Geschehens. Dem israelischen Militärinformationsdienst DebkaFile zufolge legen »Berichte militärischer Quellen« sogar nahe, daß es erstere waren, die Ghaddafi aufspürten und gefangen nahmen (siehe auch Spalte). Sie hätten ihm in beide Beine geschossen und anschließend den Misurata-Milizen übergeben, überzeugt, diese würden ihn umbringen.

Es handelt sich somit bei der Ak­tion zunächst um ein weiteres Kapitel des extrem ungleichen Kampfes zwischen den Verteidigern der libyschen Souveränität und den angreifenden NATO-Mächten. Letztere verfügen über die stärksten Streitkräfte der Welt und brachten das modernste Arsenal an Waffen, Aufklärungssystemen und Mitteln der psychologischen Kriegsführung zum Einsatz. Satelliten, Kampfjets und Drohnen ermöglichen es ihnen, aus der Luft nahezu jede größere Bewegung des Gegners zu entdecken und alles, was verdächtig erscheint, ohne Gefahr für sich selbst anzugreifen und – auch rein prophylaktisch – mit ungeheurer Feuerkraft auszulöschen. Spezialeinheiten erkundeten und markierten zu zerstörende Gebäude und Infrastrukturanlagen, leiteten die Aktionen der Rebellenmilizen und steuerten das Eingreifen von Kampfjets und -hubschrauber in die Bodenkämpfe. Daß sich Sirte unter diesen Bedingungen zwei Monate halten konnte, wird vermutlich in die Heldengeschichten des afrikanischen Unabhängigkeitskampfes eingehen.

Nicht nur der DebkaFile-Bericht legt nahe, daß es wahrscheinlich Milizen aus Misurata waren, die Muammar Al-Ghaddafi und seinen Sohn liquidierten. Dafür spricht auch, daß die Leiche nicht in die Hauptstadt, sondern nach Misurata geschafft und dort zur Schau gestellt wurde. Die Milizen, die bereits durch ihr brutales Vorgehen in den Nachbarorten berüchtigt wurden, zeigen wenig Neigung, sich denen aus Bengasi, die nun die Führung des ganzen Landes beanspruchen, unterzuordnen.

Auf ihr Konto ging vermutlich auch die Exekution von 53 Ghaddafi-Anhängern im Hotel Mahari. An dessen Eingang und an Wände im Innern gemalt, fand man die Namen von fünf bekannten »Brigaden« aus Misurata, die dort wohl ihre Basis hatten: die Tiger-Brigade (Al-Nimer), die Unterstützungsbrigade (Al-Isnad), die Jaguar-Brigade (Al-Fahad), die Löwen-Brigade (Al-Asad) und die Zitadellen-Brigade (Al-Qasba). Man sollte sich die Namen merken. Es steht zu befürchten, daß man auch in Zukunft noch von ihnen hören wird.
Ausführliche Analyse im Internetblog des Autoren: jghd.twoday.net/ (Hier benutzt: http://www.jungewelt.de/2011/11-03/047.php)

 

Selbst solch reaktionäre Geiferzungen wie der Übel-Focus räumen die Illegalität des Krieges ein: 

Mordmandat? Im Rahmen des Normalen
Der Focus berichtet in seiner aktuellen Ausgabe, Frankreich und die USA hätten von vornherein den Tod Ghaddafis zum Ziel gehabt und nicht seinen Prozeß. Das in München erscheinende Wochenmagazin beruft sich auf die französische Zeitung Canard En­chaîné. »Obwohl die NATO-Mission in Libyen in dieser Woche zu Ende geht, lediglich den Schutz der Zivilisten vorsah, hätten eine US-Drohne und zwei Mirage-Kampfjets den Fluchtkonvoi Ghaddafis beschossen. Zudem sollen sich in Sirte 50 französische Elitesoldaten aufgehalten haben, die nicht eingeschritten seien, als Ghaddafi gelyncht wurde.« Focus gegenüber habe ein Diplomat aus dem französischen Außenministerium bestätigt: »Das gehörte nicht zum NATO-Auftrag, aber man soll nicht scheinheilig tun: Die Alliierten haben mehrfach versucht, Ghaddafi zu liquidieren. Wenn er dann auf der Flucht stirbt und dies manchen Staaten entgegenkommt, bewegt sich das doch im Rahmen des Normalen.« ...

 

Veröffentlicht in Gewalt Frieden

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