Dialektik der Zukunft im Personenverkehr (1)

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Dialektik der Zukunft im Personenverkehr (1)

Ein vielleicht besonders anschauliches Beispiel für die Komplexität von praktischen gesellschaftlichen Zusammenhangen bietet der Verkehr. (Vorsorglich: Ich habe nichts gegen BMW im Besonderen. Ich wählte die Firma als zufälliges Beispiel.)

  1. Unter kapitalistischen Bedingungen besteht der Zweck jeder Produktion in der Erwirtschaftung von Profit. Inwieweit ein tatsächliches Bedürfnis befriedigt wird, ist aus dieser Sicht nur ein Argument, das Produkt besser verkaufen zu können. BMW produziert also Autos nicht, damit Menschen Autos kaufen, um mobil zu sein, sondern, damit sie BMWs kaufen, womit sie (auch) mobil sein können. Jede Entscheidung eines potentiellen (zahlungsfähigen) Kunden für eine beliebige andere Marke, und sei diese den Mobilitätsansprüchen des Kunden angemessener, bedeutet einen Schaden (einen entgangenen Gewinn) für BMW, dem durch ein aggressives Marketing entgegen zu wirken ist. Dieses erhöht den Preis der Produkte. Für BMW sind diese Kosten sinnvoll. Für die Menschheit mit ihren Bedürfnissen nicht.
  2. Für BMW ist es günstig, den Verschleiß und die Reparaturkosten (und äußere Neuerungsmerkmale) so hoch zu halten wie möglich, damit sich die potentiellen Käufer möglichst schnell „reproduzieren“. Das verbessert den Gebrauchswert „Mobilität“ nicht, schadet aber der Umwelt durch Vergeudung von Substanzen, Energie und Produktionskapazitäten (Arbeitskräften).
  3. BMW ist interessiert an einem eigenständigen „Gebrauchswert“ Statussymbol als Kaufgrund. (Mobil wäre man mit beliebigen anderen Autos auch.) Hierfür eignet sich in erster Linie der Markenname als Symbol, dass sich der Nutzer einen besseren Mittelklassewagen leisten kann. Während mit dem Verschwinden des kapitalistischen Eigentums an den Produktionsmitteln nahezu automatisch die Logik aggressiven Marketings und die vorsätzlich destruktive Kreativität (also die Ideenjagd, ein Produkt, das natürlicherweise noch nicht verschlissen wäre, so zu bauen, dass es schon verschlissen ist und neu gekauft wird) mit verschwinden, hält sich der Aspekt, ein Statussymbol besitzen zu wollen, bis zum Übergang zum entwickelten Kommunismus, also bis zu dem Punkt, an dem es nicht nur kein Geld im heutigen Sinne eines Allgemeinen Äquivalents, sondern auch keine Ersatzformen wie Leistungsbons oder ähnliche personenbezogenen Vergütungen mehr gibt. Hier ist nicht (allein) das vorsätzliche Protzen im Sinne eines „Mantafahrers“ gemeint, sondern ein unterbewusst ablaufender Vorgang bei der Masse von Besitzern von besonderem Eigentum. Jemand denkt „Ich habe mir das verdient“. Mit diesem Satz sagt er natürlich zugleich, wenigstens ein Teil der „anderen“ hat „es“ nicht verdient … und er wird (noch) unangenehme Zeitgenossen finden, für die dieses „Nicht-verdient-Haben“ allgemein akzeptiert wird. Allerdings lässt sich dieses Scheinbedürfnis technisch beschränken. In dem Moment, in dem keine Profit-Anstreber mehr jedes Interesse in ein Kaufbedürfnis umzuwandeln bestrebt sind und für Verkaufsinteressen künstliche Bedürfnisse produzieren oder wenigstens stimulieren (die Leute sollten ja kein Auto, sondern BMWs kaufen), kann auf die Produktion von Autos, deren „Gebrauchswert“ zu sehr über die Mobilität hinausgeht, (also z. B. Protzwagen), schon ganz verzichtet werden. Was nicht produziert wird, kann auch nicht gekauft werden und wird ohne kapitalistisches Konsumfenster (bald) auch nicht (mehr) gefragt.
(wird fortgesetzt)

Veröffentlicht in Theorie

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